Stand: Mai 2018 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler

LAMPENMODEL (MATRIZEN) (MV 34035, MV 48048, MV 50295/212, MV 105280, MV 109200, MV 109081/4–5)

Als eindeutiges Indiz für eine lokale Lampenproduktion gilt nach wie vor das Vorhandensein von Modeln. Das bisher aufgenommene Lampenmaterial enthält insgesamt sechs Modelfragmente (Matrizen). Sie dienten sämtlich der Herstellung von Firmalampen des Formtypus Loeschcke X, eine davon repräsentiert eine Sonderform des Typus Loeschcke X, eine sogenannte Pinienzapfenlampe (konkret die Variante mit kurzem Schnauzenkanal) und ist somit der Nachweis, dass diese Form auch in Vindobona produziert wurde.

Alle Matrizen sind oxidierend gebrannt. Sie weisen darüber hinaus aber eklatante Unterschiede in ihrer Machart auf (siehe Katalog).1 Das verwundert nicht, wurden doch fünf der sechs Matrizen an unterschiedlichen Fundplätzen ausgegraben und dürften so mit unterschiedlichen Werkstätten und deren Personal in Verbindung stehen.

Ansonsten sind bislang nur wenige Indizien für lokale Werkstätten bekannt.2

Drei der Model sind zwar verortet, jedoch unstratifiziert. MV 34035 kam 1984 beim Bau der U-Bahn-Linie U3 im Bereich der canabae legionis am heutigen Minoritenplatz zum Vorschein. MV 50295/212 stammt ebenfalls aus den canabae3, während MV 48048 in der retentura des Legionslagers entdeckt wurde.4

Eindeutige Hinweise für eine Lokalisierung von Lampen produzierenden Werkstätten liefern v. a. die drei innerhalb der letzten fünf Jahre aufgefundenen Matrizen, nämlich MV 105280 (Wien 17, Hernalser Hauptstraße 59–63, GC: 201413, Abraumhalde der Legionsziegeleien). Dazu kommen noch die Modelfragmente MV 109200 und MV 109081/4–5 (beide Wien 17, Steinergasse 17, Legionsziegeleien, GC: 201707, Trockenhalle, Holzgebäude). Alle drei stammen somit aus dem Umfeld der erst in den letzten Jahren genauer untersuchten Legionsziegeleien von Vindobona im 17. Wiener Gemeindebezirk Hernals. Für diese Stücke lässt sich nun erstmals eine Verbindung mit einer konkreten Werkstätte herstellen.

Besonders bemerkenswert ist, dass alle bisher bekannten Model (und darüber hinaus die anschließend behandelten möglichen Werkstattabfälle) aus Fundstellen innerhalb der militärisch bzw. halbmilitärisch verwalteten Siedlungsbereiche von Vindobona stammen. Die Produktion von Lampen im Umfeld des römischen Militärs − auch im Zusammenhang mit der Ziegelherstellung − wird im Übrigen auch an anderen römischen Militärstandorten angenommen.5

Darüber hinaus ist festzustellen, dass alle Modelfragmente handwerklich sorgfältig gefertigt sind. Die mit ihrer Hilfe hergestellten Lampen waren qualitativ hochwertige Erzeugnisse.

Zwei der Matrizenfragmente weisen in die Form integrierte Spiegelverzierungen auf. Bei dem Stück aus den canabae legionis MV 50295/212 handelt es sich um eine nach halbrechts blickende, bekleidete männliche (?) Büste. Der zweite Model mit Spiegelmotiv ist eines der beiden Fragmente aus den Legionsziegeleien (MV 109200). Hier ist auf dem Spiegel eine Iuppiter-Ammon-Büste in Frontalansicht abgebildet. Dieses Motiv ist u. a. im militärischen Umfeld ein gängiges, nicht zuletzt weil Iuppiter Ammon als Schutzgott der Armee verehrt wurde.6 Das besagte Fragment trägt darüber hinaus die prae cocturam eingeritzte Signatur octa(/vi/vius fecit??). Der Herstellerstempel OCTAVIVS ist in Vindobona mehrmals bezeugt. Die Hersteller der Formen gehörten aber häufig einem anderen Personenkreis an, wie es z. B. von den Formen aus Aquincum bekannt ist.7

FRAGMENTE VON ZWISCHEMODELLEN? (MV 1931/2 und MV 3087/7)

Erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang zwei Lampenfragmente aus den Ausgrabungen am Judenplatz,in den Kasernen des Legionslagers unweit des Prätoriums.8 Beide sind auffallend dickwandig und an ihrer Innenseite nur grob „zurechtgedrückt“ worden. MV 3087/7 besteht außerdem aus stark mit Glimmer gemagertem Ton. Der Ton der meisten Lampen aus Vindobona unterscheidet sich deutlich davon. Aufgrund dieser Merkmale ist ihre Verwendung als Zwischenmodell denkbar.9

TÖPFEROFENABFALL? (MV 34724)

Ein weiterer Hinweis auf die lokale Lampenproduktion von Vindobona ist das Henkelfragment MV 34724 aus der Zivilsiedlung von Vindobona . Bei dem Fundstück handelt es sich um einen Fehlbrand, der im Umfeld eines Töpferofens geborgen werden konnte. Es könnte sich also um Ausschussware eben dieses Töpfereibetriebes handeln.

HERSTELLERSTEMPEL MARCV(s) (MV 38904/1)/FRAGMENTE MIT LOKALEM SCHERBENTYP

Dieser bisher sonst unbekannte Herstellerstempel befindet sich auf einer Lampe des Typus Loeschcke X A, die im Bereich eines Händler-und Handwerkerareales in der römischen Zivilsiedlung gefunden wurde.10 Die Lampe trägt Gebrauchsspuren. Ihr Scherbentyp spricht für ein lokales Produkt. In demselben Areal wurden überdies insgesamt vierzehn weitere Fragmente unterschiedlicher Lampentypen aufgefunden, deren Scherbentyp sie als lokale Produktion ausweist.11

Alle Hinweise auf lokale Lampenproduktion sind in einer Karte visualisiert.

  1. Zu unterschiedlichen Formen von Matrizen z. B. Goethert 1997, 168 (Trier).
  2. Einheitliche Scherbentypen wurden für die Vindobonenser Lampen bisher nicht erstellt. Ausnahmen stellen lediglich die Lampen vom Judenplatz (Legionslager) sowie eine Auswahl an Lampen aus der Ausgrabung am Rennweg 44 (römische Zivilsiedlung) dar. Die betreffenden Scherbentypen wurden von Rita Chinelli erstellt: R. Chinelli, Oxidierend gebrannte Gebrauchskeramik der Ausgrabungen in Wien 3, Rennweg 44 (in Vorbereitung). Erklärend dazu auch Sakl-Oberthaler in: Müller et al. 2021, S. 301, Fußnote 1202. Daher konnten auch noch keine durchgängigen archäometrischen Analysen für die Lampenfunde durchgeführt werden, um z. B. die heimische Produktion von den Importen abzugrenzen. Zu den aufgrund ihrer gesamten Machart vermutlich als Importe einzustufenden Firmalampen siehe das Kapitel „Lampenformen/Firmalampen“.  Als Vorbereitung für ein derartiges Projekt wurden jedoch bereits Scherbenproben genommen, die bei der Stadtarchäologie Wien einzusehen sind.
  3. Ausgrabungen im Palais Porcia: siehe Fundortregister GC: 199602.
  4. Siehe Fundortregister GC: 198401.
  5. Zur Lampenproduktion im Zusammenhang mit dem römischen Heer: Auer/Sitz 2014, 100f. mit weiterführender Literatur. Martin Auer denkt konkret im Zusammenhang mit der Firmalampenproduktion des Eucarpus an eine zivile Produktion von Lampen im Gefolge des Heeres. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Lampen aus der Legionsziegelei Nied (Frankfurt): Huld-Zetsche 2014.
  6. Zur Ikonografie Frecer 2015, 311–313 mit Aufzählung von Vergleichen.
  7. Kuszinzsky 1932, 273–299; Auer/Sitz 2014, 102 f. zum Vorkommen von Modeln mit identen Produzenten- und Modelherstellernamen und zur Bedeutung dieses Umstandes im Zusammenhang mit dem Nachweis von Filialbetrieben.
  8. Siehe Fundortregister GC: 199701.
  9. Ähnliche Merkmale werden z. B. von Karin Goethert (Goethert 1997, 173 f.) für vollständig erhaltene Zwischenmodelle beschrieben.
  10. Siehe Fundortregister GC: 199001; die Lampe ist leider nicht ausreichend kontexdatiert (siehe Katalog).
  11. Zu den Scherbentypen siehe Fußnote 2, Rennweg 44); zu den einzelnen Lampentypen siehe die Auswertungskapitel „Firmalampen“ „Bildlampen,“ „Achtförmige Lampen“.
    Es handelt sich um folgende Inventarnummern: Bildlampen mit eckiger Volutenschnauze (Loeschcke IC): MV 38675/3 (Vindobona), MV 38811/1 (Vindobona), MV 38679/1 (Vindobona), MV 38290/1 (Vindobona), MV 38345/13 (Vindobona); Firmalampen Loeschcke X/Buchi Xa-c: MV 38904/1-11 (Vindobona oder Umgebung) – mit Stempel MARCV; MV 38202/1 (Carnuntum oder Vindobona), MV 38807/42-43 (Vindobona), MV 38909/1 (vermutlich lokal), MV 38459/4 (Carnuntum oder Vindobona); Achtförmige Lampe Loeschcke XI B Ia: MV 38811/2 & MV 38.811/1088 (Vindobona); Tiegellampe Loeschcke XIII a?: MV 38484/1 (Vindobona); Unbestimmte Fragmente: MV 38290/30 (Vindobona), MV 38459/5 (Vindobona).