Erste archäologische Untersuchungen
AutorInnen: Sabine Jäger-Wersonig, Heike Krause, Constance Litschauer | Stand: 14.7. 2020
Die geplante Endstation der Linie U2 am Matzleinsdorfer Platz bedient einen vielfrequentierten Verkehrsknotenpunkt, der den Margaretengürtel und die Triester Straße, Gudrunstraße, Wiedner Hauptstraße sowie die Reinprechtsdorfer Straße verbindet. Die infrastrukturelle Bedeutung dieses Bereichs reicht bis in die Antike zurück.
Römerzeitliche Verkehrsroute und mittelalterliche Wirtschaftsfläche
Neben Resten jüngerer Straßenzüge kann im Umfeld des Matzleinsdorfer Platzes mit etwas Glück eine römerzeitliche Fernverbindungsstraße angetroffen werden. Als Militär-, Versorgungs- und Handelsweg verband die nach Süden führende via publica den Legionsstandort Vindobona mit Scarbantia (Sopron/Ödenburg), aber auch mit der Bernsteinstraße. In weiterer Folge waren Italien und der Adriahafen Aquileia erreichbar. An der Straßenstation Inzersdorf konnte man außerdem zum Thermalort Aquae (Baden) abzweigen.
Ein 0,80 m mächtiges und zumindest 10,5 m breites Teilstück der Straßentrasse aus Mörtel und Steinen konnte etwa im Jahr 1914 in der Kundratstraße 4 im 10. Wiener Gemeindebezirk aufgedeckt werden.
Im Mittelalter wurde diese Gegend wohl eher landwirtschaftlich genutzt. Der um 1136 erstmals genannte Ort Mazilinestorf (Matzleinsdorf) dürfte sich nordöstlich an der Wiedner Hauptstraße erstreckt haben.
Der neuzeitliche Linienwall als Schutz- und Steuergrenze
Relikte des an der äußersten Grenze der Vorstadtverbauung gelegenen, ab 1704 errichteten Linienwalls sind ebenfalls zu erwarten. Der von Kaiser Leopold I. beauftragte Schutzbau sollte die Kuruzzeneinfälle aus Ungarn abwehren. Es handelte sich um einen rund zwölf Fuß (ca. 3,8 m) hohen und ebenso breiten Erdwall mit vorgelagertem, etwa 2,8 m tiefem Graben. Der in Zick-Zack-Linie verlaufende Wall wurde später mit einer geböschten Ziegelmauer verstärkt. Letztlich verlor der Linienwall als Annäherungshindernis an Bedeutung, wurde jedoch in der Folge als wichtige Steuergrenze für die Stadt genutzt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte die endgültige Demolierung.
Reste des Walls konnten schon an mehreren Stellen des Stadtgebietes aufgenommen werden.
Erste archäologische Untersuchungen
Erste archäologische Untersuchungen auf der insgesamt rund 4530 m² großen Verdachtsfläche an der Grenze vom 5. zum 10. Wiener Gemeindebezirk fanden bereits im Herbst 2018, im Zuge von Vorarbeiten zur Errichtung des Stationsgebäudes, statt.1
Die Umlegung eines Kollektorbauwerkes vor dem Haus Matzleinsdorfer Platz 1 im September 2018 erbrachte zwar nicht die erwarteten Reste des Linienwalls, stattdessen stieß man auf andere Mauerreste.
Eine mächtige Mauer in Netzmauerwerktechnik – große Steine mit Auszwickelungen aus kleineren Steinen und Ziegelfragmenten – und zwei Ziegelmauern konnten einem L-förmigen Gebäude zugewiesen werden. Die mit Herstellerzeichen versehenen Ziegelsteine legen eine Errichtung ab 1821 nahe.
Die Sichtung von Planunterlagen und die Auswertung von Schriftquellen ermöglichten die Zuordnung dieser Mauern zu einer einstigen Gaststätte. Es handelte sich um das stadtauswärts an der Matzleinsdorfer Linie gelegene Gasthaus „Zum Auge Gottes“. Gerne wurde es von den Schwerfuhrwerkern und Frachtern besucht, deren Sammelplatz beim nahen Linientor am Beginn der Triester Straße lag. Der Betrieb der in etwa 50 Jahre bestehenden Gaststätte endete 1903 mit der Demolierung des Gebäudes.
Die Untersuchung des Großteils der Grabungsfläche steht allerdings noch aus! Überreste des neuzeitlichen Linienwalls als auch der römerzeitlichen Fernverbindungsstraße können daher noch zum Vorschein kommen.
Anmerkung:
- Siehe dazu ausführlich: Sabine Jäger-Wersonig, Heike Krause, Ingeborg Gaisbauer, Werner Chmelar und Kinga Tarcsay, Ein Gasthaus vor dem Linienwall. Archäologische Untersuchungen in Wien 5, Matzleinsdorfer Platz im Vorfeld des U-Bahn-Ausbaus (U2/U5). In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 22, 2019, S. 206–224.