Keller im Keller
Autorin: Heike Krause | Stand: 9.12. 2021
Diesmal führen uns die Hausertüchtigungsmaßnahmen im Vorfeld des U-Bahn-Baus in die Neudeggergasse im 8. Wiener Gemeindebezirk. Sie wird heute noch von einigen schmucken Vorstadthäusern aus der Zeit Josephs II. gesäumt, als diese Gasse samt neuer Hausparzellen anstelle eines schmalen Steigs neu angelegt wurde. Ihren Namen hat sie von dem seit dem späten Mittelalter nachweisbaren Neudeggerhof.
Das um 1906 aufgenommene Foto von August Stauda zeigt eines dieser Häuser auf der östlichen Straßenseite. Doch das Haus, von dem hier die Rede sein wird, befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ist ein „Neubau“ von 1887.
Von einem Brunnen und anderen in den Untergrund führenden Bauten
Bei den notwendigen Freilegungsarbeiten im Keller des Hauses Nr. 5 gab es so einige Überraschungen!
Ein runder, überwiegend aus Steinen erbauter Schacht mit einem Innendurchmesser von 1,10 Meter ist wohl als Rest eines Brunnens anzusehen. Er war vom Fundament des heutigen Kellers bereits zum großen Teil zerstört. Aufgrund seiner Mauerstruktur wäre eine spätmittelalterliche, jedenfalls aber frühneuzeitliche Datierung denkbar. Der Brunnen könnte vielleicht noch aus der Zeit des Neudeggerhofes stammen und somit seiner Wasserversorgung gedient haben.
Ebenso interessant sind die Überreste eines Vorgängers des bestehenden Gebäudes, dessen Mauern teilweise in die neuen Kellerwände integriert worden sind. Ein derartiger pragmatischer Umgang mit älterer Bausubstanz ist heutzutage kaum mehr vorstellbar und auch in diesem Ausmaß in der Gründerzeit nur selten anzutreffen.
Im Ausgrabungsplan sind diese Mauern ihren Bauphasen entsprechend farblich gekennzeichnet.
Von diesem Vorgänger hat sich ein West-Ost orientierter, großteils verschütteter Keller erhalten, der wohl zu einem in der Zeit Josephs II. ab 1778 errichteten Gebäude gehörte. Das raumabschließende Gewölbe zeigte sich noch in Form eines Ziegelbogens, der in ungewöhnlicher Weise in der Kellermauer des Bestandgebäudes bestehen blieb. Auch Teile des Stiegenhauses inklusive Treppenstufen und einem Bodenbelag aus Ziegeln waren noch vorhanden.
Mit dem 1887 vollführten Bau wurden die nicht mehr benötigten Bauteile abgebrochen, der Kellerraum verfüllt und das Gelände aufplaniert. Das neue Haus sollte von Beginn an „Gasthaus-Localitäten“ beherbergen. Zu diesem Zweck gab es laut Bauplan einen Weinkeller und von diesem führte ein Stiegenabgang noch weiter in die Tiefe. Schon zwei Jahre später kam es aber bereits zu Adaptierungen. Der Weinkeller wurde anscheinend nicht mehr benötigt. Daher ließ man den Stiegenabgang auf und schuf mittels Einziehen von Trennwänden kleinere Kellerabteile zum Lagern von Holz. Überreste dieser Strukturen waren ebenso noch vorhanden.
Ein Ort der Gastlichkeit mit Tradition
Bei der Recherche hat sich gezeigt, dass in diesem Haus über lange Zeit eine Gastwirtschaft betrieben wurde. Mittlerweile sind Wirtshäuser, die für das leibliche Wohl der Vorstadtbewohner sorgten, schon mehrmals Objekte der archäologischen Untersuchung gewesen. Erinnert sei hier an die Keller des Gasthauses zum Auge Gottes am Matzleinsdorfer Platz, des Gasthauses „Zur Stadt Belgrad“ in der Josefsgasse 1 oder an den Eiskeller des Restaurationsbetriebs „Zum rothen Haus“ in der Garelligasse 3/Frankgasse 7.
Schon ab der 1778 erfolgten Errichtung des ersten Hauses an der Stelle Neudeggergasse 5 mit dem Namen „Grüner Baum“ gab es eine Gastwirtschaft, die quasi bis zum Abbruch 1887 betrieben wurde. So wird man nicht fehlgehen, dass das hier aufgedeckte Kellergewölbe einst der Aufbewahrung von Speisen und Getränken gedient haben könnte.
Da der Kellerraum nicht ganz ausgegraben werden konnte, bleibt uns nur die Spekulation. Ob hier wohl noch einschlägige Reste einstiger Wirtshauskultur in der Erde schlummern? Wir müssen unsere Neugierde aber zügeln und überlassen gerne nachkommenden Archäologinnen und Archäologen die Lüftung dieses Geheimnisses!