Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen
Autor:innen: Constance Litschauer, Ortrun Kögler, Dimitrios Boulasikis, Ullrike Zeger | Stand: 7.12. 2023
Für die Herstellung der Zugänge am Bacherplatz zur neuen U2-Station Reinprechtsdorfer Straße wurde eine rund 2.350 m2 große Baugrube unter archäologischer Begleitung ausgehoben. Über die bislang bekannten historischen Gegebenheiten und die Ergebnisse der Voruntersuchungen haben wir schon berichtet. Gespannt sind wir während der großflächigen Kampagne 2021/2022 unter anderem der Frage nachgegangen, ob sich von der Ziegelei des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts und vom großen Spengerhof noch Baustrukturen erhalten haben.
Mittlerweile sind die archäologischen Dokumentationsarbeiten abgeschlossen. Neben dem Erwartbaren hat auch der ausgehende Zweite Weltkrieg hier seine Spuren hinterlassen.
Rohstoffgewinnung und Ziegelproduktion vor Ort
Die Bauarbeiten im Bereich des leicht nach Norden abfallenden Projektgebietes brachten unter einer rezenten Aufschüttung und geschnitten von zwei Abwasserkanälen des 19. Jahrhunderts großflächige Planier- und Verfüllschichten zu Tage. Sie wurden über und in eine das gesamte Areal einnehmende Geländevertiefung eingebracht und zeichneten sich durch eine heterogene Zusammensetzung aus. Diese große Grube ist durch die Entnahme von Rohstoffen (lokale miozäne Schlufftonablagerungen) für die Herstellung von Ziegeln entstanden.
Die lehmig bis lehmig-sandigen und mitunter schluffigen oder auch tegeligen Aufschüttungen waren durch Einschlüsse von viel Ziegelbruch, Mörtelbröckchen und ähnlichem Bauschutt sowie Schotter gekennzeichnet, aber auch durch Brandschichten.
Das auch Schlackeabfälle umfassende Fundmaterial weist zeitlich überwiegend ins 19. sowie ins 18. Jahrhundert. Es datiert den Verfüllprozess um 1800, der somit nach der Auflassung der Ziegelei im Zuge der damaligen Stadterweiterung einsetzte.
Innerhalb der Entnahmegrube kamen Mauerzüge zum Vorschein, die auf ein in etwa 14,50 x 12 m großes Gebäude schließen lassen. Auch wenn sein annähernd quadratischer Grundriss nicht mit den Darstellungen des aufgehenden Mauerwerks auf den historischen Plänen übereinstimmt, spricht seine Lage für eine Ansprache als Ziegelbrennofen. Zuletzt bestätigt das aufgrund seiner Struktur noch im 18. Jahrhundert errichtete Mischmauerwerk aus neuzeitlichen Mauerziegeln ohne Zeichen, Bruch- bzw. Hausteinen sowie vereinzelt quaderförmig bearbeiteten Spolien die Vermutung.
Die erhaltene Höhe der zumeist 0,60 m starken Mauern betrug bis zu etwa 4 m. Damit ist eine mehrgeschoßige Nutzung des Baus anzunehmen, wie es bei Ziegelbrennöfen der entwickelten Neuzeit üblich war. In der südlichen Gebäudeecke konnte außerdem der Rest eines 0,22 m starken Ziegelfußbodens erfasst werden.
Um- und Anbauten
Einige Umbaumaßnahmen am Brennofen deuten auf Adaptierungen bzw. eine Nachnutzung. Dazu zählt vor allem ein Abschnitt aus zwischen 1858 und 1869 hergestellten Mauerziegeln von Heinrich Drasche im südwestlichen Teil der Außenmauer. Die Überlagerung des dokumentierten Baubestandes mit der aktuellen Stadtkarte und ausgewählten historischen Plänen ermöglicht dabei eine Zuweisung zum bereits im Behsel-Plan von 1824 mit der Konskriptionsnummer 76 gekennzeichneten Haus, in dem die Gärtnerfamilie Serp lebte.
Im Bereich der Nordgrenze der Maßnahmenfläche wurde außerdem ein Nord-Süd verlaufendes und 1,20 m hoch erhaltenes Mauerwerk auf einer Länge von 1,80 m angetroffen. Es wurde aus lagig in ockerfarbenem Mörtel sandiger Konsistenz verlegten Ziegelsteinen ohne Zeichen errichtet und bildete in Richtung Osten eine L-förmige Ecke mit verstürztem Gewölbeansatz aus. Die Mauerwerksstruktur spricht für eine Errichtung noch im ausgehenden 18. Jahrhundert und könnte aufgrund seiner Lage auch mit Um- oder Anbauten am sog. Spengerhof in Zusammenhang stehen.
Kein Krieg ohne Toten
Umgeben von Schuttlagen aus der Zeit um und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Südosten der Grabungsfläche die sterblichen Überreste von zwei verstürzt liegenden Individuen aufgedeckt. Von den im Alter zwischen 20 und 30 bzw. 25 und 35 Jahren verstorbenen Männern haben sich auch Reste ihrer Bekleidung erhalten. Dazu zählen Knöpfe einer tschechischen Uniformjacke und Zivilkleidung sowie Stiefel der Deutschen Wehrmacht. In unmittelbarer Nähe der beiden Skelette wurden außerdem ein Stahlhelm M35 und Bestandteile zweier Karabiner 98 und eine Stabgranate geborgen.
Die uneinheitliche Adjustierung der Gefallenen deutet darauf hin, dass es sich um Angehörige des Volkssturmes gehandelt haben könnte. Rund um den Zeitpunkt des Ablebens entstandene feine Frakturen an den Knochen ähneln dem Erscheinungsbild bei von Granatsplittern verursachten Brüchen. Das spricht zuletzt dafür, dass die beiden im Zuge der Befreiung Wiens durch die Alliierten rund um den 9./10. April 1945 umgekommen sein dürften.
Erste archäologische Voruntersuchungen
Autorinnen: Constance Litschauer, Heike Krause | Stand: 1.9. 2020
Im Westen des Bacherplatzes soll der nördliche Aus- und Zugang der künftigen U2-Station Reinprechtsdorfer Straße entstehen. Im Vorfeld der Stationserrichtung wurde im Sommer 2020 eine Künette ausgehoben, um verschiedene Einbauten wie die Strom- und Wasserleitung umzulegen. Die archäologische Betreuung der Arbeiten ermöglicht eine genauere Prognose zu den erwartbaren Befunden und Funden.
Landwirtschaftliche Nutzflächen und Ziegelproduktion
Der heutige Bacherplatz entstand erst im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts. Anhand historischer Karten und Pläne lassen sich nutzungsbedingte Veränderungen in diesem Areal ab dem 18. Jahrhundert nachvollziehen. Der Plan von Leander Anguissola und Johann Jakob Marinoni von 1706 zeigt auf diesen zur Herrschaft Margareten gehörenden Gründen landwirtschaftliche Nutzflächen und einen aus zwei Gebäuden bestehenden Hof. Vermutlich wurde hier Obst oder Wein angebaut.
Spätestens ab den 1770er Jahren war hier eine Ziegelei in Betrieb, wie sowohl der Plan von Joseph Anton Nagel als auch die Vogelschau von Joseph Daniel Huber belegen. Zu dieser Parzelle dürfte ein weiter im Norden befindlicher großer Vierflügelbau gehört haben, der sog. „Große Spengerhof“. Von der Ziegelei sind ein kleines Gebäude, bei dem es sich vielleicht um einen Ziegelofen handelt, und umliegend mehrere langgestreckte Trockenhallen für Ziegel wiedergegeben. In der Vogelschau von Huber ist auch eine Geländeeintiefung von unregelmäßigem Umriss dargestellt. Hier wurde Lehm für die Ziegelherstellung abgebaut.
Als Eigentümer der Ziegelei ist im Häuserverzeichnis von Franz de Ponty aus dem Jahr 1779 der Ziegelbrenner Mathias Kühtreiber angeführt, der auch das nach Süden reichende Areal und zwei angrenzende Häuser, den „Großen und Kleinen Spengerhof“, besaß.1 Um 1790 ist Mathias Kühtreiber als Eigentümer des 1786 bereits im Besitz von einem Thomas Hallweis befindlichen Spengerhofes und auch der anderen Immobilien nicht mehr zu finden. Die Ziegelei dürfte Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben worden sein, der Spengerhof blieb jedoch bestehen.
Das Abbaugebiet der Ziegelei wurde in der Folge wohl aufgeschüttet, planiert und neu parzelliert. Im Stadtplan von 1812 sind vorwiegend Landwirtschafts- bzw. Gartenparzellen mit loser Bebauung zu sehen. Der heute vom Bacherplatz zur Margaretenstraße führende Abschnitt der Spengergasse existierte bereits.
Auf dem Plan von Anton Behsel aus dem Jahr 1824 sind im Umfeld des geplanten Untersuchungsgebietes zwei Gebäude mit den Konskriptionsnummern 76 und 77 verzeichnet. Im Haus Nr. 76 wohnte die bürgerliche Ziergärtnerfamilie Serp und in dem weiter westlich gelegenen Haus Nr. 77 lebten Johann und Susana Berger.2 Bald danach musste ein Wechsel an der Adresse „Margarethen Nr. 77“ stattgefunden haben, da eine Todesanzeige den bürgerlichen Gärtner Johann Preiß nennt, der am 11. März 1838 das Ableben seines einjährigen Kindes beklagen musste.3
Mit der systematischen Parzellierung im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts entstand neben den heutigen Straßenzügen auch der Bacherplatz.
Erkenntnisse durch die Einbautenumlegungen
Im Bereich der Häusergrenze Bacherplatz Nr. 6 und 7 wurden im Zuge der Aushubarbeiten für die Künette West-Ost verlaufende Fundamentreste mit Gewölbeansatz angeschnitten. Dieses aus ungestempelten Ziegeln mit dem Format 29 x 15 x 6 cm bestehende Mauerwerk ist wohl dem oben erwähnten Haus der Familie Berger zuzurechnen.
Die Profile des 4 m tief ausgehobenen Schachtes am Bacherplatz zeigen heterogene Aufschüttungen. Die lagig eingebrachten Verfüll- bzw. Planierschichten sind im oberen Bereich vermehrt durch Bauschutt und andere Einschlüsse gekennzeichnet. Mithilfe des Fundmaterials – darunter das Fragment einer Pillnaer Bitterwasserflasche des A. Ulbrich aus Böhmen4 – können sie ins 19. Jahrhundert gesetzt werden, als im Zuge der Auflassung der Ziegelei die Lehmentnahmegruben verfüllt und das Areal aufplaniert wurden. Die an der Unterkante der Künette angetroffenen, teilweise sterilen lehmigen oder tegeligen Lagen können hingegen noch ungestörtes anstehendes Gelände darstellen oder es handelt sich um umgelagertes Rohmaterial der Ziegelei.
Man darf also durchaus auf die weiteren Baumaßnahmen vor Ort gespannt sein. Ob dann auch ältere Siedlungsschichten zutage treten, ist aufgrund der massiv eingetieften Lehmentnahmegruben der Ziegelei zwar nicht unbedingt zu erwarten, jedoch lassen bis ins Spätmittelalter datierende Funde zumindest auf die Überreste tiefgreifender Einbauten wie Brunnenschächte oder Latrinen dieser Zeitstufe hoffen.
Anmerkungen:
- Franz de Ponty, Verzeichniß der in der Kaiserl. Königl. Haupt- und Residenzstadt Wien, sammt dazu gehörigen Vorstädten, und Gründen, befindlichen numerirten Häusern derselben Eigenthümern, und deren Conditionen, Schilderen, Gassen, Grund-Obrigkeiten, Pfarreyen, und derzeit Bezirksaufsehern auf das genaueste nach denen Grundbüchern entworfen, Wien 1779, S. 166 Nr. 7–10; Joseph Freiherr von Hormayr, Wien, seine Geschicke und Denkwürdigkeiten, Band 3, Heft 2–3, Wien 1825, S. CCCXXII.
- Anton Behsel, Verzeichniß aller in der kaiserl. königl. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten befindlichen Häuser […], Wien 1829, S. 118 Nr. 76 und 77.
- Wiener Zeitung, 15. März 1838, [S. 4].
- Ingeborg Gaisbauer, Die Keramikfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 14, 2011, S. 74–76, bes. S. 75.