Stand: April 2020 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler
In diesem Kapitel werden insgesamt sechs Gegenstände besprochen, die der Beleuchtung im Innen- sowie Außenbereich dienten, jedoch keine Lampen im eigentlichen Sinn sind.
STÄNDERLEUCHTER (MV 1514, MV 1779, MV 106572/23)
Zwei Exemplare solcher Kerzenleuchter aus Keramik befinden sich unter den Altfunden in der Sammlung des Wien Museums. Beide gehören dem Typus der sogenannten Ständerleuchter an.1
Das heißt, sie bestehen aus einem zylindrischen Ständer mit (gelochter) Bodenplatte, über dem sich eine Schale – zum Abtropfen des Wachses – sowie eine zentrale Tülle zum Aufstecken der Kerze erhebt. Solche Kerzenleuchter sind recht weit verbreitet, so z. B. im Rheinland aber auch in Gallien.2 Die Fundumstände von Leuchtern in Trier weisen auf eine Datierung in die 2. Hälfte des 3. bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts.3 Auch in Pannonien gibt es Vergleichsstücke.4 Dora Iványi katalogisierte 1935 noch drei weitere Kerzenständer aus Vindobona, die offenbar bei der Neuaufnahme der Lampen und Beleuchtungsgeräte durch Alfred Neumann 1967 nicht mehr vorhanden waren.5 Zwei davon sind bei Iványi abgebildet. Sie ähneln in der Form entfernt den beiden hier besprochenen Stücken.
MV 1514 wurde restauriert und ergänzt. Bei dem Stück schwingt der Ständer nach unten konisch aus, der untere Teil von ihm ist komplett ergänzt und endet in einer Bodenplatte. Die Tropfschale ist klein, rund und stark nach oben gebogen. Das Leuchterfragment wurde auf dem Areal des 1858 gegründeten Rudolfspitals (Wien 3, Juchgasse 25) entdeckt. Der genauere Fundort ist unbekannt.6
MV 1779 ist ebenfalls nur fragmentarisch erhalten, das Stück wurde aber nicht ergänzt. Der Leuchter wirkt insgesamt deutlich gedrungener. Auch hier ist ein kurzer hohler Ständer vorhanden, der in einer konkaven Linie nach oben zur breiten Tülle und unten zum Boden ausschwingt. Die Bodenplatte ist durchlocht. Der Rand der nach oben gebogenen Tropfschale ist abgebrochen.
Der fragmentierte Leuchter wurde 1911 bei einem Hausumbau in der Wiener Innenstadt, an der Ecke Singerstraße/Liliengasse geborgen, bei dem römische Mauern und Gruben entdeckt wurden. Die heutige Singerstraße überlagert einen Bereich der römischen canabae legionis südöstlich des Legionslagers. Hier entstand im späten 3. Jahrhundert ein Gräberfeld.7 Einen eindeutigen Hinweis auf einen Grabzusammenhang ergeben die Fundumstände des Stückes allerdings nicht.
Eine weiteres Exemplar eines Ständerleuchters (MV 106572/23) wurde 2015 im Osten der Zivilsiedlung in Zusammenhang mit Siedlungsbefunden entdeckt. Es handelt sich dabei um eine in Vindobona bisher unbekannte Formvariante. Der fast vollständig erhaltene Kerzenleuchter weist eine kreisrunde Tülle sowie eine konkave Abtropfschale auf, ein zylindrischer Ständer fehlt jedoch fast zur Gänze. Der Leuchter ruht auf einem stark verkürzten hohlen Fuß mit – schräg verzogener – Standplatte.
KERZENHALTER aus Bronze (MV 25174/3335/1)
Ein in Bronzevollgusstechnik hergestelltes zoomorphes Füßchen gehörte zu einem kleinen, dreibeinigen Kerzenhalter. Das Füßchen ist der Tatze einer Großkatze nachgebildet. Der Rest des Objektes, nämlich die beiden anderen Füße, sowie die Kerzenschale in Form eines kleinen Kessels fehlen. Derartige Kerzenhalter, die in ihrer Gesamtform gewissermaßen Miniaturausgaben von Klappgestellen zum Einhängen eines Beckens oder von dreibeinigen Tischchen darstellen, sind z. B. aus Augusta Treverorum bekannt.8 Der Typus war v. a. im westlichen Teil des römischen Reiches verbreitet.9
Das Fragment aus Vindobona wurde im Legionslager, bei den Ausgrabungen 1995–1998 am Judenplatz in den Kasernen unmittelbar westlich des praetorium entdeckt.10 Es wurde umgelagert in einem nachrömischen Stratum gefunden.
KERZENSTÄNDER MIT FLORALEM AUFSATZ aus Bronze (MV 38211/11)
Ein Fragment eines aufwändig gestalteten Kerzenständers liegt in Form eines zierlichen Blütenkelches vor. Dieser kelchartige Kerzenhalter war auf einem profilierten Ständer montiert. Durch seine durchbrochene Oberfläche ergaben sich eindrucksvolle Lichtspiele, die dieses Beleuchtungsgerät zu einem luxuriösen Einrichtungsgegenstand machten. Helga Sedlmayer rekonstruierte das Stück im Rahmen ihrer Bearbeitung der Metallfunde aus dem Händler- und Handwerkerareal in der römischen Zivilsiedlung am Rennweg 44.11 Parallelen dazu finden sich z. B. in Augst.12 Derartige Kerzenhalter sind häufig im sakralen Umfeld, beispielsweise in einem Lararium zu finden.13
LATERNE aus Bronze (MV 38174/1 Laternenstrebe, MV 70715 Laternenfüßchen)
Nur der oberste Teil einer senkrechten Strebe blieb von einer bronzenen Laterne erhalten. Ob das kugelige Bronzefüßchen MV 70715 ebenfalls zu einer oder sogar zu eben dieser Laterne gehörte, lässt sich dagegen nicht beweisen.14 Aufgrund ihrer charakteristischen Form lässt sich das aus Bronze gegossene Fragment der Strebe hingegen eindeutig zu einer bereits aus Pompeji und Herculaneum bekannten Laternenform rekonstruieren. Dort sind mehr als zwei Dutzend solcher Originale vollständig erhalten geblieben. Daher sind zahlreiche technische Details zu diesen Gebrauchsgegenständen bekannt. Es handelt sich dabei um zylindrische Laternen mit einem kalottenförmigen Bronzedeckel und einem – abnehmbaren – tüllenartigen metallenen Brenner. In die senkrecht stehende Strebe und in den Deckel konnten an Ringen befestigte – in der Länge verstellbare – Ketten eingehängt werden, an denen wiederum ein aus Bronzestäben gebildeter Griff hing. Dies ermöglichte das bequeme Tragen dieser Beleuchtungskörper. Der zylindrische Brennraum wurde mit gebogenen, durchscheinenden Hornplatten verschlossen, um ein Verlöschen der Flamme zu verhindern.15 Möglicherweise kamen zu diesem Zweck auch Pergament, Schweinsblasen oder Leder zum Einsatz.16
Solche Laternen, die im Haus und im Außenbereich zum Einsatz kommen konnten, sind in Mitteleuropa verbreitet.17
Ihr zahlreiches Vorhandensein in Herculaneum und Pompeji zeigt, dass sie im 3. Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr. bereits allgemein gebräuchlich waren. Die Entstehung des Typus ist vermutlich im Westen Galliens anzunehmen.18 Die ältesten römischen Laternen sind vom Magdalensberg bekannt und stammen noch aus spätrepublikanischer Zeit. Weitere Funde gibt es aus frühkaiserzeitlichen Limeskastellen. Danach kamen sie in den Städten Kampaniens in Mode und wurden auch dort hergestellt.19 Spätere Typvarianten leben bis in das dritte Jahrhundert fort.
Für eine genaue typologische Bestimmung ist das Wiener Fragment leider zu klein. So lässt sich nicht feststellen, ob die Laterne zwei oder drei Streben besaß oder wie ihr Brenner beschaffen war. Beides gilt als wichtiges typologisches und chronologisches Kriterium.20
Allerdings ist klar, dass die Laterne zur späteren Typvariante II nach Feugère/Garbsch gehört haben muss, denn die Strebe ist gegossen nicht aus Blech gefertigt, wie es bei den frühesten Formen dieser Laternen üblich war.21 Auch Typus II war in Zentraleuropa und auch in den östlichen Reichsprovinzen gut verbreitet.22 Diese Typvariante kam zwischen 40 und 100 n. Chr. auf und lebt noch bis ins 3. Jahrhundert weiter.23
- Goethert 1988, 495 f. Typus A Ständerleuchter; beide Vindobonenser Leuchter lassen sich in der Gesamtform mit Kat.-Nr. 60 (Schaftvariante a) 499 Abb. 22 aus Trier vergleichen; siehe auch Goethert 1997, 157 und Abb. 96 (links).
- Goethert 1988, 497 nennt für die Leuchter aus Trier – die dort übrigens lokal produziert wurden (ebenda 496) – Parallelen von der Saalburg, aus Köln, Straßburg und aus Gallien.
- Goethert 1988, 497; Goethert 1997, 157.
- Iványi 1935, 25 f. „Leuchter“; 308 Kat.-Nr. 4405–4416 mit den Fundorten Szombathely, Carnuntum, Budapest.
- Iványi 1935, 308 Kat.-Nr. 4408 (MV 1843) Taf. LXVIII 2; 4410 (MV 1087) ohne Abb.; 2077 (MV 2077) Taf. LXVIII 9. Zum Umgang mit verschollenen Fundobjekten siehe „Aufbau und Benutzung der Auswertungskapitel“.
- Grabungscode (GC: 191038) nicht verortet.
- Zur Fundstelle siehe Kronberger 2005, 72–77 „Grabstätten der Region K“ (Stephansplatz); 299 Taf. 1 K; 310 Taf. 12,8.
- Goethert 1994, 363–366 Abb. 20; eine exakte Parallele ist der „dreifüßige, hochbeinige Kerzenhalter“ Kat.-Nr. 46 (verschollen) aus Trier und Umgebung, ohne genauen Fundort: 365 f. Abb. 20,46.
- Goethert 1994, 365 f. zählt weitere Parallelen zu diesem Stück im Rheinland in Gallien, Germanien und in Nordafrika auf; eine Zusammenstellung weiterer Parallelen findet sich bei Jäger-Wersonig 2010, 629.
- Jäger-Wersonig 2010, 627; 629; 690 ME113 Taf. 17,16. Zum Fundort allgemein siehe Fundortregister GC: 199701.
- Sedlmayer 2018, 228 f. Abb. 106 Taf. 38 ME114. Die Beifunde des Stückes datieren ins 2. Jahrhundert n. Chr.
- Kaufmann-Heinimann 1998, 123 Nr. 216 mit Abb. (Augst); 256 Abb. 209 (Mathay/Doubs).
- Sedlmayer 2018, 228 f. Abb. 106 Taf. 38.
- Eine Zugehörigkeit der beiden Teile zu ein-und derselben Laterne ist aufgrund der nahe beieinanderliegenden Fundorte der betreffenden Fragmente denkbar. Sie wurden nämlich am Rennweg 44 (MV 38174/1) und Rennweg 57/Schützengasse 24 (das kugelige Füßchen MV 70715) ausgegraben. Zu den Fundorten siehe Fundortregister GC: 199901 und 200501.
- Ausführlich zu Forschungsgeschichte, Bauart, Funktionsweise, Typologie, Verbreitung und Chronologie solcher Laternen: Feugère/Garbsch 1993.
- Feugère/Garbsch 1993, 146 und Anm. 12.
- Feugère/Garbsch 1993 katalogisierten insgesamt 158 Laternen oder Fragmente von solchen; zur Gesamtverbreitung siehe Karte 161 Abb. 6.
- Zur Chronologie Feugère/Garbsch 1993, 159–161; für die frühe Zeitstellung sprechen einige augusteische Grabfunde in Gallien.
- Feugère/Garbsch 1993, 159–162.
- Feugère/Garbsch 1993, 151 f. 155–160.
- Ihre Form entspricht Strebentyp d bei Feugère/Garbsch 1993, 156 Abb. 4. Das Wiener Fragment ähnelt z. B. jenen Streben der vollständigen Laterne aus Herculaneum (Feugère/Garbsch 1993, 145 Abb. 1), aber auch den Strebenfragmenten einer Laterne aus dem östlichen Mittelmeerraum im Museum München (Abb. 3,1), oder aber jener von Pförring (Abb. 3,2) und von Theilenhofen in Bayern (Abb. 3,3) und jener von Bern (Abb. 3,4). Übereinstimmungen bestehen allerdings in allen Fällen nicht bis in letzte Details.
- Feugère/Garbsch 1993, Verbreitungskarte zu Typ II: 163 Abb. 8, 165 Abb. 9.
- Feugère/Garbsch 1993, 144, dafür sprechen u. a. die bayerischen Funde aus Pförring, Straubing und Theilenhofen.