Stand: Mai 2018 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler

In diesem Kapitel sind jene Lampen zusammengestellt, die formal mehr oder weniger stark an metallene Vorbilder angelehnt sind.

LOESCHCKE III (Variante) (MV 38314/1, MV 38475/1)

Hierbei handelt es sich um eine Spätform des Bildlampentypus Loeschcke III, eine Variante mit einer oder mehreren langen, gerundeten Volutenschnauzen und abweichender Schulterbildung. Solche Exemplare waren in Pannonien bis in die 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts vertreten.1 Aus Vindobona sind bisher zwei Exemplare bekannt. Beide stammen aus einem Bereich der Zivilsiedlung am Rennweg 44.2 Bei MV 38314/1 handelt es sich um ein auffallend großes (Länge ca. 16 cm), aus mehreren Bruchstücken rekonstruiertes, zweiflammiges Exemplar mit großem Füllloch, einem hohen Standring sowie einer aufwändig plastisch gestalteten Griffplatte. Die – nicht direkt anpassenden –Bruchstücke könnten auch von einem Paar solcher Lampen stammen. Die oben beschriebenen typologischen Details lassen an die Nachahmung einer Metallform denken. Passende – ebenfalls keramische – Parallelen finden sich im Rheinland in Form großer doppelflammiger Volutenschnauzenlampen aus den Kölner Gräberfeldern, wo sie als Einzelstücke auftreten, die speziell für den Grabkult produziert wurden.3 Auch in Pannonien, Mösien und Noricum ist der Typus – in sehr unterschiedlichen Dimensionen und Varianten, allerdings überwiegend in der „klassischen Variante“ mit kleinem Füllloch – vertreten.4 Für das Exemplar MV 38314/1 bietet sich aufgrund der Vergleichsbeispiele aus den nordwestlichen Provinzen eine Datierung in die Zeit zwischen 150–200 n. Chr. an, wozu auch der Fundkontext der betreffenden Lampe passt.5

MV 38475/1 von derselben Fundstelle (ohne datierten Fundkontext) ist ein Diskusfragment, das in seiner Schulterform sowie seiner Machart dem zuvor beschriebenen ähnelt, so dass es zu einer weiteren solchen Lampe gehört haben könnte.

LOESCHCKE XX (MV 507, MV 609) – LOESCHCKE XXI (MV 34723)

Drei Lampenfragmente, sämtlich Altfunde, verbindet ihre unverkennbare Ähnlichkeit mit Metalllampen, deutlich erkennbar beispielsweise durch ihre scharfkantige Bodenbildung mit zentralem „Nabel“, ein Detail, das an gegossene, anschließend auf der Metalldrehbank überarbeitete Vorbilder denken lässt. Formal sind sie an die birnenförmigen Typen Loeschcke XX (mit langer eckiger Schnauze) oder Loeschcke XXI (mit langer runder Schnauze) angelehnt.

Das Fragment MV 609 ist der Form Loeschcke XX besonders ähnlich. Das Stück wurde bereits 1935 von Dora Iványi aufgenommen. Zu dieser Zeit war es noch besser erhalten, nämlich auch mit dem Ansatz einer eckigen Schnauze.6 Auch die Gesamtform von MV 507 lässt eindeutig Übereinstimmungen mit dem Typus Loeschcke XX erkennen. Bei MV 507 hat sich ein Griffansatz erhalten, der Teil eines (blattförmigen?) Griffaufsatzes gewesen sein könnte. Beim Fragment MV 609 fehlt der Griff komplett. MV 34723 weist ebenfalls die charakteristische kantige Schulter- bzw. Bodenbildung der meisten metallenen Lampenformen auf. Diese Lampe hat außerdem einen direkt angesetzten, flachen, nach oben gebogenen Griff, dessen Ende abgebrochen ist. Alle drei Fragmente tragen einen orangefarbenen bzw. rötlichen Überzug mit matter Oberfläche, der bei MV 609 und MV 34723 stellenweise nur nachlässig aufgetragen ist.

Neben den Anklängen an metallene Vorbilder weisen die drei Lampen in ihrer Machart bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit Lampen aus den römischen Töpfereien von Frankfurt am Main-Nied („Lampen in Wetterauer Ware“) auf, ohne allerdings – nach Ansicht der Verfasserin – tatsächlich „gleich“ zu wirken.7 An erster Stelle ist hier die bereits beschriebene orange-rötliche, matte Engobe zu nennen.8 Darüber hinaus erinnert das herzförmige Ölloch von MV 609 an die tropfenförmigen Stecklöcher, die bei mehreren Lampenformen der Wetterauer Ware vorkommen.9

Auch für das Fragment MV 34723 mit seinem flachen, nach oben gebogenen Griff findet sich ein formal gut vergleichbares Stück im Spektrum der Lampen in Wetterauer Ware.10

MV 507 erinnert dagegen durch seine etwas „verwaschen“ wirkenden Konturen an den Wetterauer Lampentypus WW 8.11

Aufgrund dieser fertigungstechnischen Merkmale könnte man an Imitationen von Wetterauer Lampen denken. Indizien für eine lokale Lampenproduktion im Umfeld der Legion (wie bei der Wetterauer Ware) sind ja überdies jüngst bei Ausgrabungen in den Legionsziegeleien von Vindobona in Form von dort aufgefundenen Modeln für Pinienzapfenlampen und Firmalampen (siehe Kapitel Lokale Lampenproduktionund Resümee) zutage gekommen. Allerdings kann auch hier ohne entsprechende archäometrische Analysen kein abschließendes Urteil über die Provenienz der betreffenden Stücke gefällt werden.

MV 34723 wurde am Neuen Markt (Wien 1) bei Kanalbauarbeiten gefunden, in einem Gebiet der römischen canabae legionis südlich des Legionslagers, auf dem ab der Mitte des 3. Jahrhunderts ein Gräberfeld angelegt wurde. Die genauen Fundumstände des Stückes sind jedoch unklar, und so muss auch offen bleiben, ob es tatsächlich aus einem Grabbefund stammt.12

MV 609 ist ein wiederum ein Streufund, der beim Umbau eines Hauses in römischem Schuttmaterial gefunden wurde. Der Fundort der Lampe befindet sich unweit der vorher genannten, in den südlichen canabae legionis, wo im 3. Jahrhundert ein Gräberfeld entstand. Ein Grabzusammenhang ist bei dem Stück jedoch ebenfalls nicht nachweisbar.

MV 507 kam 1896 in Wien 1, Wipplingerstraße 25 bei der Demolierung des neuzeitlichen Altbestandes in einem Umfeld von römischen (?) Siedlungsspuren (Mauern mit turmartigen Strukturen und ein Brunnen) zutage. Auch diese Lampe ist unstratifiziert, ihr Fundort befindet sich ebenfalls in den canabae legionis, diesmal jedoch nördlich des Legionslagers.

Die Fundumstände können somit nichts Konkretes zur Datierung der drei Fundlampen beitragen. Ihre „Vorbilder“ in Wetterauer Ware werden zwischen 125/130–170 n. Chr. datiert.13

LAMPENGRIFF in Form einer THEATERMASKE (MV 38661/214)

Das Fragment besteht aus einer flachplastisch gestalteten tragischen, weiblichen Theatermaske mit onkos und herabhängenden Spirallocken, die aus einer am Kopf stehenden Palmette emporzuwachsen scheint. Das Objekt wurde wohl aus einem Model geformt. Es ist aus gelblichem Ton gefertigt und wurde mit einer bräunlichen Engobe versehen. Der breite Griffansatz muss sich an der abgeplatzten Stelle auf der Rückseite befunden haben, wobei die Maske – in der Art einer metallenen Attasche appliziert – den vorderen Griffabschluss bildete. Solche Griffe finden sich sowohl bei Keramiklampen als auch bei solchen aus Bronze, und zwar meist bei Lampen des weit verbreiteten Typus Loeschcke XX, den es auch mit Pferdeköpfen als Griffabschluss gibt.15 Diese Griffvariante mit Theatermaske war im gesamten römischen Reich überwiegend auf Bronzelampen ein beliebtes Motiv. Parallelen finden sich sowohl im Nahen Osten, beispielsweise unter der Legionsware der 10. Legion in Jerusalem (Provinz Syria)16 als auch im mitteleuropäischen Raum, so z. B. in Mainz (Mogontiacum)17 oder in den südöstlichen Provinzen wie Dakien18 oder Noricum (Virunum).19 Besonders in Oberpannonien finden sich Tonimitationen des bronzenen Vorbildes.20 Eine sehr genaue keramische Parallele zum Maskentypus stellt auch ein Tonmodel aus Carnuntum dar.21 Die erwähnten (bronzenen) Parallelen datieren von der 1. Hälfte des 2. bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr.22

Das Fragment wurde in der Zivilsiedlung von Vindobona ausgegraben, und zwar in dem 1989/1990 freigelegten Händler- und Handwerkerareal am Rennweg 44. Der Lampengriff ist unstratifizert.23

LOESCHCKE XVIII – LOESCHCKE XX/IVÁNYI XXXI (MV 21210/24470)

Die aus drei Fragmenten rekonstruierte dünnwandige, scheibengedrehte Lampe ist mit 16,6 cm Länge ein auffallend großes Stück und in Vindobona bisher ein Unikat.

Die Lampe hat eine eckige Volutenschnauze, die in einen kreisrunden Ölbehälter übergeht. Rückwärts wurde ein Rundstabhenkel angarniert. Die handwerkliche Verarbeitung ist sorgfältig.

Formal zeigt die Lampe Anklänge an metallene Lampenformen wie Typus Iványi XXXI24 oder LoeschckeXX (eckige Volutenschnauze)25 wie auch XVIII (die Gesamtform). Diese Formen werden zwischen dem 2. Drittel des 1. und dem Ende des 2. Jahrhunderts datiert. Dazu passt die Schichtdatierung des Wiener Stückes in die Steinbauphase 1.1 (130/140–180 n. Chr.) der am Michaelerplatz in Wien 1 entdeckten Metall verarbeitenden Werkstätten.26 Bei dem Stück könnte es sich um die eigenständige „Schöpfung“ eines Keramikmeisters handeln, denn völlig idente keramische Vergleichsstücke – wie beispielsweise für die häufig in Keramik ausgeführte Form Loeschcke XX (siehe die oben behandelten Fragmente MV 507, MV 609 und MV 34723) wurden bisher nicht gefunden. Ein in vielen Elementen ähnliches Vergleichsstück, allerdings deutlich kleiner und mit gerundeter, nicht eckiger Schnauze (also eine Imitation Loeschcke XXI), liegt in einer heute verschollenen Lampe aus der Zivilsiedlung vor, die 1935 von Dora Iványi noch im Original aufgenommen werden konnte.27 

VARIANTE IVÁNYI XXI (MV 21210/29071 – ähnlich Iványi XXI?)

Dabei handelt es sich um das Fragment einer eckigen Schnauze und ein kleines Fragment eines scheibengedrehten Behälters. Die Fragmente sind für eine zuverlässige Rekonstruktion jedoch zu klein. Zieht man die Größe und die sorgfältige Verarbeitung in Betracht, so ist es denkbar, dass es sich um ein ähnliches Stück wie das vorher besprochene (MV 21210/24470)28 – aus derselben Ausgrabung am Michaelerplatz – gehandelt haben könnte.

  1. Alram-Stern 1989, 32 f.
  2. Müller et al. 2018, 391 Fundtab. 20 FK84 s. v. Lampen LA21; Sakl-Oberthaler (in Vorbereitung), LA21.
  3. Cahn 2009, 79–83 Taf. 33,448; 34,459, beide etwas kleiner, aber ähnlich in der Machart, durch Beifunde datiert: 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jahrhundert.
  4. Carnuntum: Alram-Stern 1989, 31–33; verschiedene pannonische Fundstellen: Ivanyi 1935, Taf. XVII 1–6 (dreiflammig); XVIII 1–8 (zweiflammig); weitere Varianten Taf. XIX und XX; Intercisa: Úljaki Pongrácz 2006, Kat.-Nr. 431 und 432; Mösien (Singidunum): Krunić 2011, 50 Kat.-Nr. 25; Noricum: Enns/Lauriacum: Deringer 1965, 63 f. 120 Kat.-Nr. 374; 377; 378 Taf. X (severisch–4. Jh.).
  5. Müller et al. 2018, 391 Fundtab. 20 FK84 s. v. Lampen LA21; Funde: 2. Jh.–(1. Hälfte) 3. Jh.
  6. Iványi 1935, Taf. LXV 1.
  7. Ein Unterschied ist u. a. die deutlich exaktere Ausführung der meisten Wetterauer Stücke. Die Wiener Beispiele wurden offenbar aus „flauen“ Modeln hergestellt. Auch die sonstige Verarbeitung der Wiener Funde (z. B. die mangelhafte Glättung der Tonoberfläche und der stellenweise fleckige Auftrag der Engobe) wirkt nachlässig. Zu beachten ist auch der Umstand, dass die Lampen in Wetterauer Ware im Normalfall nicht für den Export in weiter entfernte Regionen vorgesehen waren: Huld-Zetsche 2014, 31-33.
  8. Der bei Huld-Zetsche 2014 in Farbreproduktion abgebildete Überzug wirkt meist, wie z. B. beim Stück Kat.-Nr. 240 (94 Kat.-Nr. 240) deutlich dunkler und mehr ins Bräunlich/Rötliche tendierend als bei den Wiener Stücken.
  9. Huld-Zetsche 2014, 122 Kat.-Nr. 414 und 415. Diese Formvariante WW 7.1. ähnelt auch in ihrer Gesamtform dem Wiener Stück. Ähnliche Öffnungen weisen z. B. auch Lampen der Form WW 1.2. (Huld-Zetsche 2014, 93 Kat.-Nr. 239, annähernd herzförmiges Steckloch), außerdem WW 3.2. (111 Kat.-Nr. 336, dreiteiliges Ölloch) und WW 3.5. (113 Kat.-Nr. 377, Steckloch) sowie viele andere auf.
  10. Huld-Zetsche 2014, 123 Kat.-Nr. 420 Typus WW 7.2. Das betreffende Stück aus dem Museum Wiesbaden hat allerdings einen roten Überzug.
  11. Huld-Zetsche 2014, 124 Kat.-Nr. 434. Das Stück ist allerdings deutlich größer (19,5 cm) als das Fragment aus Wien. Die Lampe trug einen rötlichen Überzug sowie vermutlich einen Blattaufsatz (wie möglicherweise auch das Wiener Stück) und zusätzlich einen Bandhenkel.
  12. Zum Befund: Kronberger/Mosser 2001, 171 Tabelle 1 (Grab 29–32); Krinzinger 2005, 200 s. v. Wien 1, Neuer Markt 11 (M. Kronberger) Abb. 6.16; Kronberger 2005, 41–43 Taf. 2.
  13. Huld-Zetsche 2014, 21–25.
  14. Eine ausführliche Bearbeitung des Stückes durch Rita Chinelli (Stadtarchäologie) ist in Vorbereitung. Ihr sei außerdem für zahlreiche Hinweise zu dem Objekt und für das zur Verfügung stellen ihrer Fotos von dem Stück herzlich gedankt.
  15. Zum Beispiel in Trier: Goethert 1997, 145 f. Kat.-Nr. 111 „Verbreitung: Rheinland, Schweiz, 0beritalien“ Datierung: 1. Hälfte 2. Jahrhundert n. Chr.
  16. Magness 2005, 79f. mit Anm. 73–75, dort Aufzählung weiterer Parallelen, u. a. auch in Jerusalem/Tempelberg (Anm. 76); Photos 13,14 =fig.11, 4,5 Datierung dort allgemein: hadrianisch bis spätantoninisch. Laut freundlicher Mitteilung von Nikos Piperakis (Stadtarchäologie Wien) befindet sich eine Keramiklampe der Form Loeschcke XX mit ähnlichem Maskengriff im Jordan Archaeological Museum Amman.
  17. Menzel 1969 , 28 Griffaufsätze, Kat.-Nr. 100 Abb. 26,9; Kat.-Nr. 101, Abb. 26,10; 122 Kat.-Nr. 716 Abb. 103, vollständige Bronzelampe mit ähnlichem Maskentyp (Loeschcke XX) FO: Niederlande.
  18. Ulpia Traiana Sarmizegetusa: Alicu 1994, fig. 9,1036.
  19. Landesmuseum Kärnten: Sedlmayer 2001, 304–306 mit ausführlicher Zusammenstellung aller Parallelen sowie Verbreitungskarten (306 f.); Ancient Lamps – RomQ Reference Collection, Byzantine & Medieval Periods (Metal Lamps), CA3, Datierung: 50–150 n. Chr., Herkunft: „Possibly Eastern Mediterranean“. (18.02. 2018)
  20. Bonis 1977, 112 Abb. 2,14. Weitere Vergleiche siehe Sedlmayer 2001, 308 mit Anm. 60.
  21. Humer/Kremer 2011, Kat.-Nr. 937 (B. Petznek).
  22. Sedlmayer 2001, 308. Diese jüngste Parallele ist eine Bronzelampe aus einem Hortfund des mittleren 4. Jahrhunderts n. Chr. in Dobrotin (Serbien).
  23. Zum Fundort siehe Fundortregister GC: 199001.
  24. Iványi 1935, 299 Kat.-Nr. 4292 (größte Formähnlichkeit, da mit Ösenhenkel);298 Kat.-Nr. 4283–4285 (Museen Aquincum, Szekesfehervar, Sopron) Taf. LIX,6–8; LX 8; Trier: Goethert 1994, 321 Abb. 3.
  25. Loeschcke 1919, 322.
  26. Sakl-Oberthaler 2003, 17 Taf. 2.1. Zum Fundort siehe Fundortregister GC: 199201.
  27. Iványi 1935, 20 „Tönerne Nachahmungen von Bronzelampen, Nachahmung des Typus XXXIII“ Kat.-Nr. 4366 Taf. LXV 4; Länge: 10,3 cm; Fundort: Wien 3, Hohlweggasse; siehe auch Neumann 1967, 24 Kat.-Nr. 256 „jetzt abgebrochener mondsichelförmiger Griffaufsatz […] Original nicht mehr vorhanden“.
  28. Das Stück ist unstratifiziert, zum Fundort siehe Fundortregister GC: 199201.