Stand: Mai 2018 | Autorin: Sylvia Sakl-Oberthaler

In diesem Kapitel werden Lampen zusammengestellt, deren gemeinsames Kriterium ihre kreisrunde Form ist, eine Form, die sich in spätrömischer Zeit allgemein großer Beliebtheit erfreute.

DENEAUVE VIII,4/WARZENLAMPE (MV 8505, MV 8588)

Die vollständig erhaltene Lampe MV 8505 ist formal eine Rundlampe, aufgrund ihrer warzenartigen Spiegelverzierung ist sie der Gruppe der Warzenlampen zuzurechnen. Diese Form war im 3. (und vereinzelt noch im 4.) Jahrhundert in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum, aber auch in Nordafrika verbreitet.1 Das Stück ist ein Grabfund aus dem Jahre 1937 auf dem Areal der aufgelassenen canabae legionis, der u. a. mit einer Münze um 250/260 n. Chr. vergesellschaftet war.2 Bemerkenswert ist der Bodenstempel in erhabener Kursiva mit dem Cognomen Ingenvs. Dieser Namen ist ausschließlich aus Ostnoricum und aus Pannonien bekannt.3 Überdies konnten Fundlampen aus dem westlichen Gräberfeld von Poetovio aufgrund archäometrischer Untersuchungen als lokale Produkte eingestuft werden.4 Bei dem Wiener Stück handelt es sich also wohl um eine pannonische Nachahmung einer bekannten Form.

Das Fragment MV 8588 gehört formal derselben Typgruppe an. Für dieses Stück gibt es wiederum gut passende nordafrikanischen Parallelen, nämlich Lampen des Typus Deneauve VIII,4.5 Ohne archäometrische Analysen kann dieses Fragment aber nicht zweifelsfrei als Importstück klassifiziert werden. Zudem ist sein Fundort unbekannt und daher auch nicht zweifelsfrei in Vindobona anzunehmen. Im hier zugehörigen Online-Katalog findet es sich daher bei der Gruppe der nordafrikanischen Lampen.

IVÁNYI XXII – scheibengedrehte (glasierte) Rundlampen

Die folgenden Formvarianten gehören zur Gruppe der scheibengedrehten Rundlampen, die besonders gehäuft im Donauraum6– glasiert und unglasiert – als Leitform der spätrömischen Zeit auftreten. Dora Iványi fasste diese Lampenformen bereits 1935 unter dem Typus XXII zusammen, den sie zusätzlich in fünf Subtypen unterteilte.7 In jüngerer Zeit befasste sich Nicolae Gudea eingehend mit dieser Gruppe, indem er über 400 (ausschließlich glasierte) Lampen aus spätrömischen Kastellen in Dakien und den angrenzenden Provinzen zusammenstellte und Vorschläge für deren Herstellung, Entwicklung und Typologie machte.8 Vergleichbare Lampen (wiederum mit und ohne Glasur) finden sich auch in Norditalien, nämlich in Aquileia, im Friaul, in der Umgebung des Gardasees, in Brescia und Verona9, sowie in Augusta Treverorum.10

In Vindobona sind bislang sechs Lampen dieses Formtyps bekannt. Alle lassen sich mit der Form Iványi XXII und eventuell auch mit einigen ihrer Subtypen in Verbindung bringen, wobei die Ähnlichkeiten nur als annähernd zu bezeichnen sind. Da es sich bei den Rundlampen aber um scheibengedrehte Keramik handelt, sind individuelle Schwankungen in der Formgebung von Stück zu Stück naturgemäß größer als bei modelgepresster Keramik.11 Aus diesem Grund existiert auch bis heute noch keine allgemein anerkannte Typologie dieser Lampengruppe.

Sämtliche Vertreter (mit Ausnahme einer Lampe aus einer Künettengrabung) der hier behandelten Lampengruppe stammen entweder aus dem Bereich der spätrömischen Gräberfelder auf dem Areal der aufgelassenen canabae legionis oder aus dem Bereich des Legionslagers (Details siehe unten). Dieser Umstand lässt sich gut mit der aktuell in der Forschung anerkannten Chronologie der betreffenden Siedlungszonen von Vindobona verbinden. In der spätrömischen Epoche waren die canabae legionis nämlich bereits vollständig aufgegeben worden und die verbliebene (militärische und zivile) Bevölkerung nutzte das Legionslager als sicheren Wohnort.12 

IVÁNYI XXII, Variante 1 (MV 1271, MV 8580)

Bei den beiden Stücken handelt es sich um Lampen von leicht länglicher Form mit einer vorkragenden Schnauze. Sie haben eine Leiste um das Dochtloch sowie einen länglichen Zapfengriff. MV 1271 ist glasiert, das Stück ist überdies besonders gut erhalten. Die Lampe ist ein Streufund, der bei Kanalbauarbeiten im Bereich der südlichen canabae legionis zutage kam. Auch die Lampe MV 8580 ist unstratifiziert. Sie wurde bei einer Kanalgrabung in der praetentura des römischen Legionslagers, auf dem Areal des valetudinarium bzw. der Lagertherme (direkt nördlich angrenzend an das scamnum tribunorum) geborgen.13 

IVÁNYI XXII, Variante 3 (MV 8581, MV 3252/18)

Die beiden Lampen entsprechen durch ihre vorkragende Schnauze und die fehlende Leiste um das Dochtloch der Variante 3 bei Iványi. Bei dem Stück MV 8581 sind der Ansatz eines Zapfengriffes (?) sowie Reste von Glasur erhalten. Die Lampe ist nicht stratifiziert. Sie wurde 1949 vermutlich im Bereich des scamnum tribunorum, in der praetentura des Legionslagers östlich der via praetoria14 geborgen. MV 3252/18 ist ebenfalls glasiert, ohne Henkel, dafür aber mit einem hohen, innen hohlen, leicht konisch geformten Ständer versehen. Dieses Stück wurde im Rahmen der Publikation der Ausgrabungen am Judenplatz 1995–1998 in den Mannschaftskasernen unmittelbar westlich des praetorium (Phase 4: Ende 3.–5. Jh.) bereits ausführlich besprochen.15 Hervorzuheben ist bei dieser Lampe auch der Umstand, dass ihr Scherbentyp mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein lokales Produkt hindeutet.16

IVÁNYI XXII/Variante 5 (MV 8583, MV 635)

Diese beiden leicht fragmentierten Lampen entsprechen am genauesten der Variante 5 bei Iványi, die von ihr als „kreisrunde Lampe mit kaum oder überhaupt nicht vorragender Schnauze, meist henkellos“ beschrieben wird.17 MV 8583 war möglicherweise glasiert, die Oberfläche ist bei dem Stück sehr schlecht erhalten. Das Lampenfragment ist ein Fund aus einem Skelettgrab in einer jener Zonen der canabae legionis – im konkreten Fall südlich des Legionslagers –, die etwa um nach 250 n. Chr. aufgelassen und durch Gräberfelder ersetzt wurden.18

Im Falle von MV 635 ist das Original verschollen. Für dieses Stück ist keine Glasur vermerkt. Die verschollene Lampe war ein Altfund aus dem Areal der ersten Kohorte im Legionslager Vindobona.19 Sie wurde im Bereich des spätrömisch überbauten Manipelhofes aufgefunden.

  1. Zum Typ Leibundgut 1977, 53 ff. Form XXXV; Goethert 1993, 236; Goethert 1997, 163 f.; Bonifay 2005, 34 fig. 3.
  2. Kronberger 2005, 331 Grab D2 Taf. 33,6a.6b.
  3. Iványi 1935, 191 f. Kat.-Nr. 2438, 2439, 2441, 2442, 2445 Taf. XCI 97–103; Zusammenstellung mit inschriftlichen Belegen: Alram-Stern 1989, 74; Istenič 1999, 165 (Datierung 3. Viertel 3. Jh.); Úljaki Pongrácz 2006, 30 vgl. Kat.-Nr. 91 (mit Münzen Philippus I. 244–245 bzw. des Probus 279 n. Chr.) und Kat.-Nr. 92.
  4. Istenič 2000, Pl. 90 Gr. 452,5. Das dort gezeigte Stück weist eine andere Stempelvariante auf, der Schriftduktus ist jedoch ähnlich; Datierung Istenič 1999, 165: 3. Viertel 3. Jh.
  5. Bonifay 2005, 34 Fig. 1 sous-type 4 und Fig. 3 dérivés du Type Deneauve VIII, sous-type 4.
  6. Lauriacum: Deringer 1965, 58 Kat.-Nr. 366 Taf. IX c, Abb. 13,1389 (Kat.-Nr. 366). – Carnuntum: Alram-Stern 1989, 52–54, Kat.-Nr. 584–606 Taf. 3,4. – Intercisa: Úljaki Pongrácz 2006, 37 f. Kat.-Nr. 453; 457–460; 466; 468; Pongrácz 1992; Pongrácz 1995. – Südpannonien: Vikić-Belančić 1970; Vikić 1971; Vikić-Belančić 1976. – Sofia: Kuzmanov 1992. – Iatrus: Gomolka-Fuchs 1982.
  7. Iványi 1935, 20 Taf. LVI,4–11; LVII,1–6.9. Aufgrund fundvergesellschafteter Münzen (Galerius Maximinianus, 295–300 n. Chr., bis Gratianus, 367–375 n. Chr.) datiert sie die Form ins 3./4. Jh. Auch Alram-Stern 1989, 54, mit Zusammenfassung der münzdatierten Stücke; sie datiert den Typus vom Ende des 3. bis ins 5. Jh.
  8. Gudea 2008, typologische Vorschläge 105 f. und Abb. 79–84. Er stellt Lampen aus Fundplätzen in den spätrömischen Provinzen Moesia I, Moesia II, Valeria, Pannonia II und Dacia Ripensis zusammen; Datierung: Ende 3. bis Ende 4. Jh.
  9. Siehe die Zusammenstellung der entsprechenden Parallelen bei Chinelli 2010, 344 für die glasierte Ständerlampe MV 3252/18 von den Ausgrabungen am Judenplatz 1996–1998.
  10. Goethert 1992, Abb. 25; Goethert 1997, 162 Kat.-Nr. 124 Abb. 101 („aus einer Töpferei in der Eifel“), sie erwähnt außerdem fünf weitere Fragmente von Ständerlampen.
  11. Alram-Stern 1989, 53 zu den Schwierigkeiten einer Typologisierung scheibengedrehter Lampen; siehe auch Pongrácz 1992, 71 f.
  12. Zur Situation in der spätrömischen Epoche: Kronberger 2005, 34; 37; 207; Mosser 2010, 34–41 insbes. 37.
  13. Zum Befund: A. Neumann, Wien 1., -Salvatorgasse Fundberichte aus Österreich 6., 1951-1955 (1967)124, 139f.; Neumann 1965.
  14. Zum Befund: Krinzinger 2005, 196 f. s. v. Wien 1, Hoher Markt 3–4 (M. Mosser).
  15. Chinelli 2010, 343–345 LA14 Abb. 114,3.
  16. Chinelli 2010, 345.
  17. Iványi 1935, 20.
  18. Kronberger/Mosser 2001, 200 Taf. 4; Krinzinger 2005, 189 s. v. Wien 1, Dorotheergasse 17 (M. Kronberger); Kronberger 2005, 203; 221 Grab A21 Taf. 23 A21.
  19. Mosser 2007, 367,6 (Fundkatalog) und Taf. 29,6.