Adresse: Hernalser Hauptstraße 59–63, Wien 17
Anlass: Errichtung eines Neubaus | Durchführungsjahr: 2014
Zeitstellung: Römerzeit, Mittelalter, Neuzeit

Historischer Kontext

Das Grabungsareal befand sich in der Römerzeit im Randbereich der römischen Legionsziegelei. Erst im Mittelalter kam es mit der Entstehung des Dorfes Hernals zu einer Parzellierung und Bebauung der Fläche. Grund und Boden gehörten zu verschiedenen Herrschaften. Die Besitzer der Häuser sind bis ins 15./16. Jahrhundert zurück namentlich bekannt.
Im Franziszeischen Katasterplan von 1819 sind vier Grundstücke verzeichnet. Das Wohngebäude befand sich jeweils an der Straße, daran schloss sich rückseitig je ein Hof mit langgestreckten Nebentrakten an. Dahinter folgten Wein- bzw. Obstgärten.
Die alte Bebauung wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert bzw. nach 1900 abgebrochen und durch zwei Häuser ersetzt, das Grundstück Hernalser Hauptstraße 63 blieb unverbaut.

Ergebnisse der archäologischen Dokumentation

Römerzeit

Römerzeitlicher Schutt, der als Verfüllmaterial in mittelalterliche Gruben und neuzeitliche Keller gelangte, lässt auf eine nahe gelegene Abraumhalde der Legionsziegelei schließen.
Zu den Funden zählen sowohl römische Ziegel als auch Gebrauchskeramik, darunter das Fragment einer seltenen, mit Legion und Namen gestempelten Reibschüssel.

Randbruchstück einer Reibschüssel mit Stempel. Model einer römischen „Pinienzapfenlampe“. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/N. Piperakis, Ch. Ranseder)
Mittelalter

Insgesamt konnten sieben Gruben festgestellt werden. Zwei davon, Grube 115 und Grube 133, gaben sich durch eine Grünfärbung in ihrem unteren Bereich als Latrinen zu erkennen. Die Gruben wurden im Spätmittelalter, spätestens jedoch im Zuge der Anlage von Kellern in der frühen Neuzeit verfüllt. Die aus ihnen geborgene Keramik, darunter zahlreiche vollständig erhaltene Gefäße, zeigt die Gefäßentwicklung im 14./15. Jahrhundert bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts.

Übersichtsplan der Grabung Hernalser Hauptstraße 59–63, Wien 17. (Plan: Stadtarchäologie Wien)
Die Gruben 115, 116 und 118. Grünfärbung im untersten Bereich von Grube 115. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)
Kremprandtopf des 14. Jahrhunderts, Kremprandtopf des späten 15./beginnenden 16. Jahrhunderts, Krug mit unterrandständigem Bandhenkel, Becher mit „gemündeltem“ Rand. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)
Neuzeit

Von den fünf nachgewiesenen Kellereinbauten, die auf den spätmittelalterlichen Grubenhorizont folgten, war nur Keller 2 nahezu vollständig erhalten geblieben. Seine Größe betrug ca. 3,40 x 2,80 m – die ursprüngliche östliche Mauer fehlte allerdings aufgrund des Einbaus einer jüngeren Ziegelmauer. Der Kalkmörtelestrich des Kellerbodens war direkt in den anstehenden Schotter gesetzt worden.

Der frühneuzeitliche Keller 2 mit Mörtelestrichboden und Bruchsteinmauern. (Foto: Stadtarchäologie Wien/M. Mosser)

Alle anderen in der frühen Neuzeit angelegten Keller wurden nur noch als Reste angetroffen.

Das klein zerscherbte neuzeitliche Fundmaterial datiert vom 16. bis in das 19. Jahrhundert. Neben Küchengeschirr reicht das Gefäßspektrum von einer Fächerplatte und Kachelfragmenten über ein Steinzeugimitat bis zu Steingut mit blauer Bemalung und Porzellan.


Bruchstück eines Gefäßes mit Christusmonogramm. Blau bemalte Steingutfragmente. Teil einer Kachel mit floralem Motiv. Fünfröhriger Kuttrolf aus Glas, ein im 16./17. Jahrhundert beliebtes „Scherzgefäß“. (Fotos, Rekonstruktion: Stadtarchäologie Wien/Ch. Ranseder)

In den Kellern 1 und 2 sowie knapp außerhalb ihrer Mauern wurden einzelne gebrauchte Henkeltöpfe, zum Teil noch mit Deckel versehen, aufgefunden. Der älteste Topf kann frühestens in das 15. Jahrhundert datiert werden, der jüngste stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie können mit Nachgeburtsbestattungen in Zusammenhang gebracht werden.

Datum: 02.12.2021 | AutorInnen: I. Gaisbauer, H. Krause, M. Mosser, Ch. Ranseder

Literatur (Auswahl)