Autorin: Christine Ranseder
Weihnachten naht und passend zur Saison tauchte bei der Durchsicht von Funden aus der Hernalser Hauptstraße 59–63 (Wien 17) ein Gefäßbruchstück mit dem Kürzel für den Namen Jesus auf. Das ist fast schon eine kleine Sensation, denn Funde mit religiösen Symbolen sind im Siedlungsmaterial eher selten anzutreffen.
Das Fragment ist aus mehreren Gründen interessant. Einer davon ist seine Machart. Als Bestandteil der gemalten Verzierung auf Tischgeschirr sind Darstellungen des Heiligen Namens ab dem 15. Jahrhundert zu finden – zunächst auf norditalienischer und südniederländischer Majolika sowie, in andersartiger typografischer Gestaltung, auf spanischer Lusterware. Unser Bodenbruchstück zeigt den Dekor jedoch als Relief. Um diesen Effekt zu erzielen, wurden die einzelnen Elemente in Modeln gepresst und danach appliziert. Hinzu kommt eine grüne Glasur, die das Fragment fast wie eine Ofenkachel wirken lässt. Drehrillen beweisen jedoch, dass es von einem auf der Töpferscheibe geformten Gefäß stammt. Leider ist das Bruchstück zu klein, um es einer bestimmten Form zuzuordnen – Teller, Schale oder Schüssel kämen in Frage.
Jedenfalls waren die Buchstaben IHS, das I müssen Sie sich dazu denken, an der Innenseite im sogenannten Spiegel angebracht. Der Querbalken des H krümmt sich zum Hügel, auf dem das nur mehr im Ansatz erhaltene Kreuz steht. Seltsam ist, dass das dargestellte Herz nicht – wie in Verbindung mit dem Christusmonogramm üblich – drei Kreuznägel aufweist, sondern von einem Schwert durchbohrt wird. Damit gibt es sich als das unbefleckte Herz Mariens zu erkennen, für deren Schmerzen das Schwert steht. Nun tragen für gewöhnlich Medaillen oder Reisesegen auf einer Seite die Abkürzung IHS mit Kreuz und drei Kreuznägel bzw. das mit drei Nägeln gespickte Herz, auf der anderen Seite den Name Maria mit dem von einem Schwert durchbohrten Herz. Diese Dualität lässt sich auch für den Dekor von Tellern nachweisen. In unserem Fall handelt es sich jedoch um eine Kombination von Jesus bzw. Maria zugeordneten Attributen. Konnte oder wollte sich jemand keine zwei Gefäße leisten und gab daher bei einem lokalen Töpfer eine Sonderanfertigung in Auftrag? Spaß beiseite: Die Frage, ob es sich bei unseren Stück um eine Ausnahme handelt, wird sich mithilfe intensiver Literaturrecherche klären lassen.
Spannend wird es auch, wenn man das ins 17. Jahrhundert datierende Bodenbruchstück in Verbindung zur Geschichte seines Fundortes bringt. Das Dorf Hernals war von 1587, als die Familien der Geyer und der Jörger die Herrschaft kauften, bis zum Einsetzen der Gegenreformation um 1620 ein Zentrum des Protestantismus. Lässt sich das Fragment mit Christusmonogramm als Zeichen der erfolgreichen Rekatholisierung deuten? Versprach sich ein Gläubiger durch seinen Besitz tatsächlich Schutz? Oder sollte das Gefäß als für jeden Gast sichtbarer Beweis der geforderten Konformität dienen, um in Ruhe gelassen zu werden? Hier stößt die Archäologie – wieder einmal – an ihre Grenzen.