Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Nach zwei Führungsmontagen erst einmal so viel:
Man ist im verbauten Umfeld einer Großstadt gewohnt, Führungen mit Sätzen wie: „Hier befand sich einmal …“, „In römischer Zeit stand hier …“ usw. zu beginnen. Die Künettengrabungen am Stephansplatz stellen da allerdings eine ganz neue Herausforderung dar. Hier weiß ich von einer Woche zur nächsten nicht, ob etwas zu sehen sein wird, welche Künette Einblicke bietet. Das macht es abwechslungsreich, aber nicht einfacher. Immerhin soll nicht nur die ohnehin schon bekannte Geschichte des Platzes angesprochen werden, sondern auch Neuigkeiten – so es sie gibt – vermittelt werden. Und damit wären wir auch schon „in medias res“ wie der Lateiner so schön sagt, also „mitten drin“ bei der Frage: Was gibt es Neues?
Vorletzten Montag zeigten sich einige Künetten östlich des Domes geöffnet, diese Woche präsentierte sich der Stephansplatz dem Besucher eher „uneinsichtig“. Ein guter Zeitpunkt für einen Jänner-Rückblick der „knochigen“ Art. Dass der Stephansplatz über lange Zeit zumindest unter der Oberfläche den Toten gehörte ist wohl bekannt. Das Treiben darüber war der Totenruhe nicht immer ganz angemessen, aber davon ein anderes Mal. Auf einem Friedhof ist mit Knochen zu rechnen – welch fundamentale Erkenntnis. Die Frage ist also nicht so sehr ob, oder wann man auf Gebeine trifft. Wie viele sind es? Sind es mehr oder weniger unberührte Bestattungen oder handelt es sich um verlagertes Knochenmaterial?
Einer Bestattung, die man noch als solche erahnen konnte, kamen wir letzten Mai relativ nahe. In diesem Jänner dominierten die bereits zerstörten Grabgruben und Skelettteile, die spätestens nach der Auflassung des Friedhofs durch die Beseitigung der Gräber 1783 verlagert worden waren.
Kleines pikantes Detail am Rande: Was die schlecht erhaltene, aber erkennbare Bestattung aus dem letzten Jahr anbelangt, so fand sich diese vor der Hausnummer Stephansplatz 7, also nicht unbedingt in einem Bereich wo alte Pläne Gräber vermuten lassen. Ob es sich hier aber um eine ältere, vielleicht sogar spätantike Bestattung handelt, können nur naturwissenschaftliche Methoden verraten. Beigabenlosigkeit kann auf persönliche Glaubensvorstellungen und/oder relative Armut des Toten hinweisen. Auf jeden Fall „arm“ ist aber der bearbeitende Archäologe, dem der Mangel an datierenden Objekten Kopfzerbrechen bereitet. Und bevor sie fragen: Einfacher, meist genauer und auf jeden Fall billiger ist es, wenn der Archäologe anhand der Funde zu einer Lösung eines Datierungsproblemes kommt. Naturwissenschaftliche Datierungen sind nicht nur kostenintensiv. Wenn es um feinchronologische Fragen geht sind die Intervallergebnisse meist auch zu weit gespannt. Ist er/sie in Abb. 1 also ein mittelalterlicher Wiener oder „spätantiker Römer“? Sobald ich es weiß, werde ich es ihnen verraten!