Autorin: Christine Ranseder
In der Früh- und Mittelbronzezeit (um 2200 bis um 1300 v. Chr.) scheint das Interesse, sich im Wiener Raum niederzulassen, nicht besonders groß gewesen zu sein. Die archäologischen Belege für die Anwesenheit von Menschen sind spärlich, das Spektrum ist jedoch groß. Es gibt von allem etwas: Einzelfunde, einige Gräber und auch Gruben, die auf Siedlungsstellen hinweisen. Das mag am Forschungsstand liegen. Es kann aber auch damit zu tun haben, dass das Gebiet im Schnittpunkt mehrerer Kulturgruppen lag.
Im Wiener Raum dürfte die meiste Zeit ereignislose Beschaulichkeit geherrscht haben. Aber was tat sich im Vergleich in der weiten Welt? Für die Herstellung von Bronze werden Kupfer und Zinn benötigt, deren Lagerstätten in Europa weit auseinanderliegen. In der Bronzezeit intensivierte sich daher der Handel und mit ihm stiegen die überregionalen Kontakte. Die leicht einschmelzbare und wiederverwertbare Bronze war als Barren (Ring-, Spangen- und Miniaturbarren) oder in Form fertiger Produkte (Schmuck, Werkzeug, Waffen) im Umlauf. Zu Ackerbau und Viehzucht gesellten sich also ganz neue Herausforderungen, nicht zuletzt konnte man durch die Kontrolle von Handelsrouten zu Reichtum – und damit auch zu Macht – kommen. In der Bronzezeit setzte sich daher der Trend zur sozialen Differenzierung fort: Es kam zur Formierung einer „Oberschicht“. Welche Aufgaben diese Personen hatten und welche Privilegien sie genossen, wissen wir nicht. Fest steht, dass es in den Gräberfeldern Bestattungen mit einer zum Teil beträchtlichen Anzahl an wertvollen Beigaben, darunter Waffen, gibt. In der Mittelbronzezeit wurde darüber hinaus durch die Errichtung von Grabhügeln ein großer Aufwand bei der Ausgestaltung der Grabstätte betrieben. Auch im Siedlungswesen gab es Neuerungen. Höhensiedlungen wurden nun mit Abschnittsbefestigungen, bestehend aus Wall und Graben, gesichert. Dörfer im Flachland scheinen unbefestigt geblieben zu sein.
Für die Definition von Kulturgruppen ziehen ArchäologInnen auch für die Früh- und Mittelbronzezeit überwiegend die Keramik heran, weil an ihr lokale Unterschiede sichtbar werden. Das Aussehen von Gegenständen aus Metall gleicht sich hingegen über weite Landstriche, da sie entweder verhandelt oder von Handwerkern, die von Dorf zu Dorf zogen, angefertigt wurden. Im niederösterreichischen Raum können in der Frühbronzezeit drei Kulturen unterschieden werden: Die Unterwölblinger Kultur, die Wieselburger Kultur und die Aunjetitzer Kultur.
In der Mittelbronzezeit hingegen lassen sich ein norddanubisches, von den Kulturen Südmährens und der Westslowakei beeinflusstes Gebiet, und ein süddanubisches Gebiet, in dem Einflüsse aus dem Karpatenbecken festzustellen sind, ausmachen.
Annähernd im Schnittpunkt dieser kulturellen Erscheinungen lag der Wiener Raum.
Frühbronzezeitliche Gräber
Zu den bemerkenswerten Entdeckungen der letzten Jahre zählen acht frühbronzezeitliche Gräber, die am Rennweg 16 (Wien 3) zu Tage kamen. Die Toten waren – wie zu dieser Zeit üblich – in Seitenlage mit angezogenen Beinen (Hockerlage) beigesetzt worden. Vier Grabgruben waren alt gestört, Grabraub war in der Frühbronzezeit keine Seltenheit. Aus einigen der Gräber konnten Beigaben geborgen werden, die eine Zuordnung zur Wieselburger Kultur erlauben. Einer Frau waren Keramik und ein Bronzering mitgegeben worden. In einem Männergrab fanden sich ein Beil, ein Dolch und zwei Nadeln. Eine weitere Frau war mit einem als Haarschmuck getragenen bronzenen Spiralröllchen bestattet worden.
Prächtiger Schmuck und unscheinbare Keramik aus der Mittelbronzezeit
Geradezu spektakulär mutet im Vergleich ein mittelbronzezeitliches Grab aus der Sulzengasse (Wien 23) an. Es handelte sich um die Bestattung eines 15 bis 16 Jahre alten Mädchens, das mit ihrem Schmuck aus Bronze in rechtsseitiger Hockerlage bestattet worden war. Es konnten zwei Sichelnadeln, 18 Scheibenanhänger, zwei Armspiralen, zwei Beinspiralen sowie Reste von Spiralröllchen und drei Bronzestabfragmente geborgen werden. Eine dunkle Verfärbung in der Nähe ihres Kopfes dürfte auf ein Holzgefäß hinweisen, das sich im Boden zersetzt hatte. Über der Bestattung des Mädchens fand sich eine weitere bronzene Beinspirale sowie das Schaftstück des rechten Schienbeins einer 19–40 jährigen Frau.
Auf das Vorhandensein einer Siedlung deutet ein Grubenrest, der im Zuge von Bauarbeiten auf dem Grundstück Wallgasse 15–17 dokumentiert werden konnte. Die aus ihrer Verfüllung geborgene mittelbronzezeitliche Keramik war bereits zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung stark fragmentiert. Es dürfte sich also um Abfall handeln, der längere Zeit auf dem Siedlungsareal herumlag, schließlich zusammengekehrt und in die Grube geworfen wurde. Die Qualität der Keramik variiert. Auffällig sind Reste von nachlässig gefertigten, klobigen Vorratsgefäßen und Töpfen, deren Ton zum Teil mit Steinchen – und fallweise auch Schamott – von beträchtlicher Größe versetzt ist. Am anderen Ende des Spektrums stehen die wenigen dünnwandigen, sorgfältig geglätteten bis polierten Bruchstücke von Tassen/Krügen aus feinem Ton.