Seltenes vom Wiener Stadtrand: Eine Siedlung aus dem Endneolithikum

Autorin: Christine Ranseder

Unsere Grabung am südlichen Wiener Stadtrand, auf den Grundäckern (Wien 10), ist gerade zu Ende gegangen und der Verdacht hat sich bestätigt: Es wurden neuerlich Siedlungsobjekte aus dem Endneolithikum aufgedeckt. Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, was wir bis jetzt über diesen Siedlungsplatz, der aufgrund der Keramik mit der Kosihy-Čaka-Makó-Gruppe in Verbindung gebracht werden kann, wissen.

Die seit 2017 in Oberlaa untersuchten Fundstellen liegen zwischen der Bahntrasse entlang der Fontanastraße und der Grundäckergasse, die östliche Grenze bildet die Laaer-Berg-Straße. Die endneolithische Siedlung lag also wesentlich näher an der Liesing, etwa 240 m, als die Siedlung der Hallstattkultur (über die Sie hier  und hier lesen können). Sie entspricht damit dem Wenigen, das über die Siedlungen der Kosihy-Čaka-Makó-Gruppe bisher bekannt geworden ist: Die Menschen ließen sich bevorzugt in Tälern mit Löss- und Schwarzerdeböden in der Nähe zu einem Wasserlauf nieder. Die Verteilung der Siedlungsobjekte, die Spuren  im Boden hinterlassen haben, zeigt sich auf den untersuchten Flächen großzügig. Im Rahmen des derzeitigen Forschungsstandes bleibt die Frage nach der Funktion diverser Gruben und Pfostenbauten  in den meisten Fällen jedoch ebenso ungeklärt wie die Regeln, nach denen Häuser und Wirtschaftsgebäude innerhalb der  Siedlungen angeordnet waren. Von Fundstellen in  der Slowakei und in Ungarn sind unter anderem auch Gruben bekannt geworden, die als Reste von in den Boden eingetieften Hütten gedeutet werden können. Der Nachweis eines derartigen Siedlungsobjektes gelang in Oberlaa erst im Zuge der gerade beendeten Grabung. Da in der Verfüllung der als Hütte interpretierbaren Grube zahlreiche Webgewichte gefunden wurden, könnte in ihr einmal ein Webstuhl gestanden haben.

Wesentlich zahlreicher waren in den bisherigen Grabungen auf den Grundäckern Gruben,  die sich in lockerer Streuung im Boden abzeichneten. Darüber hinaus wurden auch die Pfostenlöcher  von zwei kleinen Gebäuden gefunden. Das mit den Maßen 3,2 x 6,0 m kleinere der beiden war einschiffig. Der zweite Pfostenbau mit einer ungefähren Grundfläche von 4,3 x 6,2 m wies drei Reihen zu je drei Pfostenlöchern auf, das Dach wurde also in der Raummitte von einer Firstpfostenreihe getragen.

Eine große Grube, die von einer kleineren flankiert wird. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Martin Penz)
Der zweischiffige Pfostenbau, neben ihm eine kleine Grube. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Martin Penz)

Rätsel geben derzeit zwei sich überschneidende kreisförmige Pfostensetzungen auf. Da ein zentraler Firstpfosten fehlt, dürfte es sich nicht um eine runde Hütte gehandelt haben.

Die beiden Pfostenkreise. (Foto/Plan: Stadtarchäologie Wien/Martin Penz)

Scherbenglück

Im Spätneolithikum, das wegen der erstmaligen Verarbeitung von Kupfer auch Kupferzeit genannt wird, begann die Differenzierung der Gesellschaft in soziale Schichten und spezialisierte Handwerker. Es war eine Zeit intensiver kultureller Kontakte, die sich auch in der materiellen Kultur niederschlugen.  Die Kosihy-Čaka-Makó-Gruppe, der das Fundmaterial aus unseren Grabungen zugewiesen werden kann, ist eine der vielen Kulturgruppen/-komplexe, die von Archäologen zumeist anhand der Keramikformen und -verzierungen definiert werden. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über das Karpatenbecken mit Ausläufern bis nach Ostösterreich. In unserem Raum ist sie in der späten Kupferzeit, dem Endneolithikum, etwa von 2700 bis 2300 v. Chr. anzutreffen.

Das Fundmaterial aus den Grabungen der Jahre 2017 und 2018 ist bereits gewaschen und es wird fleißig nach Passscherben gesucht. Zum Keramikspektrum zählen innen mit inkrustierten Ritzmustern verzierte Schalen, bauchige Töpfe mit zylindrischem Hals – teils mit Leistenzier oder hoch angesetzten Bandhenkeln, Henkeltassen und Schüsseln.  Als weitere Funde sind – neben den Tierknochen – Reibplatten und Reibsteine zum Mahlen von Getreide zu nennen. Und sogar ein Kupferpfriem für die Lederbearbeitung kann zu tage!

Einige endneolithische Funde, unterschiedlicher Maßstab. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Martin Penz)