Autorin: Christine Ranseder
Denn das mögen Hasen gar nicht. Bei unseren Hasenköpfchen, gefunden am Judenplatz, wird das auch schwer gehen, handelt es sich doch um Ausgüsse von Bügelkannen. Das Schnäuzchen gewischt hat man ihnen vielleicht, allerdings sicher nicht, um die letzten Tropfen Eierlikör aufzufangen. Ja, Ostern steht bevor. Da liegen Hasen und Eier nahe, wenngleich erstere keine Eier legen, diese aber, will man dem Brauchtum folgen, sehr wohl verstecken. Der Osterhase wird übrigens erstmals in einer Druckschrift aus dem Jahr 1682 erwähnt.
Aber zurück zu den Bügelkannen. Diese Gießgefäße mit zoomorph gestalteten Ausgüssen waren vom 13. bis zum 15. Jahrhundert beliebt, aber offenbar besonders bruchgefährdet. Im Wiener Fundmaterial haben vollständig erhaltene Bügelkannen Seltenheitswert. Etwas häufiger sind abgebrochene Tüllen zu finden, die besonders gerne entweder als Widderköpfchen gestaltet oder mit Hasenohren versehen wurden. Eigenartigerweise sind die Häschen meistens blind, da auf die Augen – absichtlich oder unabsichtlich – vergessen wurde.
Aber wer weiß schon, warum gerade sehbeeinträchtige Hasen im mittelalterlichen Wien beliebt waren? Der arme Mümmelmann ist ja nicht nur vermehrungsfreudig sondern auch bedeutungsschwanger. In der christlichen Ikonografie kann er je nach Kontext als Symbol des Lichts, des Blitzes oder für die Auferstehung stehen. Läuft der Hase auf einem Gemälde einen Felsen hinauf, gilt er auch als Sinnbild des verfolgten Herrn. Auf Marienbildern und Darstellungen der „Heiligen Familie“ steht der Hoppler für gesegnete Fruchtbarkeit. Drei in einem Kreis angeordnete Hasen, deren Ohren sich berühren, werden gerne als Sinnbild für die Bewegung des Mondes gedeutet – die These der Dreifaltigkeit scheint derzeit vom Tisch zu sein. Über den Hasen als Sinnbild menschlicher Laster (Feigheit! Wollüstigkeit!) reden wir am besten gar nicht.
Viel lastet also auf den schmalen Schultern von Meister Lampe, allerdings ist nicht jedes Häschen gleich ein Bedeutungsträger. Da es sich um possierliche Tierchen handelt, hatten sie oft auch nur eine dekorative Funktion. Diese dürfte auch bei unseren Ausgüssen im Vordergrund gestanden haben – als weniger vergängliches Pendant zum Hasenbraten vielleicht? Schließlich wurden Hasen/Kaninchen auch im Mittelalter gerne gegessen. Die Eliten hielten Kaninchen sogar in eigenen Gehegen mit künstlich aufgeworfenen Hügeln für ihre Baue, in denen sie sich fröhlich vermehrten.
Für ausgleichende Gerechtigkeit sorgte die Buchmalerei. In alten Handschriften jagen zur Abwechslung furchtlose Häschen die Menschen. Derartige Darstellungen der „verkehrten Welt“ sind nur vordergründig drollig, als mittelalterliche Satire kritisieren sie die sozialen Verhältnisse. Werden den groben bis blutigen Szenen christliche Obertöne verliehen, dürfen sie als Allegorie für den Triumph des Guten über das Böse gelesen werden. Im Gegensatz dazu kann der von einem Jäger verfolgte Hase für die vom Teufel gejagte menschliche Seele stehen.
Doch da Ostern naht, lasst uns friedlich sein und Eier suchen gehen – wer jetzt schmutzige Gedanken hat, ist selber schuld.