Wasserversorgung in Wien

Autorin: Valerie Strunz

Der Sommer neigt sich seinem Ende zu und damit leider auch die Ferien, deshalb zieht es an diesen letzten heißen Tagen viele noch einmal ans Wasser. So auch die Stadtarchäologie Wien!

Wien hat seit jeher das große Glück über viele lokale Wasserressourcen zu verfügen. Um den heutigen Standard der Wasserversorgung zu erreichen, musste aber auch in unserer Stadt ein langer Weg zurückgelegt werden …

Perspektivkarte des Unteren Werd und der Donauarme in Deckfarbenmalerei, 1632. (Wien Museum)

Ganz zu Beginn stand die Nutzung von Oberflächenwasser und die direkte Entnahme des Wassers aus Quellen, wie der Donau, ihrer urbanen Zubringer oder Grundwasserbrunnen. Diese Formen der Nutzung sind die einzigen Möglichkeiten, Wasser ohne aufwändige, technische Einrichtungen zu gewinnen. So war das mittelalterliche Wien ausschließlich von der Versorgung durch Oberflächenwasser, öffentliche Brunnen und Hausbrunnen abhängig. Auch wenn der Wasserverbrauch in früheren Jahrhunderten wesentlich geringer war als heute, reichte das verfügbare Oberflächenwasser in Wien wohl schon im Spätmittelalter weder hinsichtlich der Qualität noch der Quantität, um die Stadt ausreichend versorgen zu können. Vor allem die kleineren Bäche in den Vororten und Vorstädten waren zu der Zeit oft stark verschmutzt und zum Trinken, Kochen, Bierbrauen und Waschen nicht mehr geeignet. Nicht umsonst entstand die Sage um den Basilisken in Wien. Nur wenige Archivalien haben sich zu den mittelalterlichen Hausbrunnen erhalten, aber es hatte wohl jedes Haus in Wien einen Brunnen. Ergänzt wurde die private Wasserversorgung durch eine Reihe öffentlicher Brunnen in und vor der Stadt, wie etwa am Neuen Markt, Am Graben, beim Alten Rathaus, Am Hof oder beim Stock im Eisen. Unser Wissen über diese hat sich in den letzten Jahren durch Bauuntersuchungen erweitert.

Aus grob behauenen Steinen in Trockenbauweise angelegter Brunnen unter der Fundamentmauer des Hauses Friedrich-Schmidt-Platz 4 (Wien 8). (Foto: Stadtarchäologie Wien / Novetus GmbH)
Rest eines frühneuzeitlichen Brunnens aus Kalksteinlagen in Mörtelbindung unterhalb des Hauses Neudeggergasse 5 (Wien 8). (Foto: Stadtarchäologie Wien / ARDIG)

Es ist bekannt, dass der Grundwasserspiegel im Mittelalter 9–16 Meter unter dem Gehniveau lag, dadurch war der Brunnenbau in Wien immer eine Herausforderung. Die damals übliche Form war der kreisrunde Schachtbrunnen, der mit Bruchsteinen ausgemauert wurde. Zur Verfestigung des Mauerwerks wurden an mehreren Stellen des Brunnenschachts Ringe aus großen Steinquadern eingebaut. In der Regel markierte eine Lage Holzbalken die Brunnensohle. Die Brunnenhäuser der mittelalterlichen Brunnen sind meist nicht erhalten geblieben, aber es scheint verschiedene Formen gegeben zu haben. Die Brunnen lagen teils in den Hinterhöfen, teils in der Einfahrt oder an der Außenfassade der Häuser. Ein interessantes Detail ist, dass viele Brunnen geteilt, das heißt so unter tragenden Hausmauern errichtet wurden, dass Wasser von zwei Seiten entnommen werden konnte. Hochgezogen wurde das Wasser in Kübeln mithilfe von Winden.

Erst in der Neuzeit lässt sich der Bau von – meist öffentlichen – Brunnen durch Darstellungen auf Bildern noch besser nachvollziehen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde auch auf ihre repräsentative Gestaltung großer Wert gelegt. Schöpf- und Ziehbrunnen konnten überall dort leicht angelegt werden, wo ausreichend Grundwasser vorhanden war. Die Verfügbarkeit von Grundwasser bestimmte die Siedlungsentwicklung in Wien entscheidend mit, auf dem Spittelberg etwa lag das Terrain relativ hoch und in den ab 1700 entstehenden Siedlungen kämpfte man bis ins 18. Jahrhundert mit der Wasserversorgung. Johann Baptist Ludwig von Barth-Barthenheim, Gewerbereferent der Stadthauptmannschaft Wien, stellte hier in den 1820er Jahren fest, dass auch eine Tiefe von 28,5 bis 38 Meter oftmals nicht ausreichte, um auf Grundwasser zu stoßen.

Zwar wurde bereits Vindobona durch Leitungen mit Wasser aus dem Liesingtal versorgt, im Mittelalter war diese Errungenschaft aber wieder in Vergessenheit geraten. Der verheerende Stadtbrand von 1525 veranlasste den Stadtherrn dazu, die Wasserversorgung Wiens zu verbessern, anstatt von Hausbrunnen sollte eine Wasserleitung in die Stadt gelegt werden. Das Projekt konnte aufgrund von Verzögerungen erst 1564 in Angriff genommen werden. Erste – vereinzelte –Wasserleitungen lassen sich dem 15. Jahrhundert zuordnen: Grabungen im Zuge des U-Bahnbaus ließen im Frühjahr 2023 beispielsweise ein dendrochronologisch auf 1475 datiertes Wasserrohr am Augustinplatz zutage treten. Erste größere Projekte, wie die Hernalser und die Siebenbrunner Wasserleitung wurden bereits im 16. Jahrhundert realisiert.

Querschnitt durch eine Holzröhre einer Wasserleitung aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert, geborgen am Augustinplatz (Wien 7). (Foto: Stadtarchäologie Wien / archnet)
Ineinander steckbare Tonrohre einer mittelalterlichen Wasserleitung in der Tuchlauben (Wien 1). (Foto: Stadtarchäologie Wien / Nikolaos Piperakis)

Diese ersten Wasserleitungen funktionierten alle gleich: Das Wasser wurde an den Quellen gefasst und in Brunnstuben geleitet, von dort verliefen Rohre aus Holz, Blei, Ton oder Eisen bis zum Bestimmungsort, an dem sich Auslaufbrunnen befanden. Das Rohrnetz in der Stadt und den Vorstädten wurde laufend erweitert, wie auch die Anzahl der Auslaufbrunnen. Für die Albertinische Wasserleitung und die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung wurden eigene Auslaufbrunnen errichtet, die reineres Trinkwasser lieferten. Die Erfindung der Dampfmaschine erlaubte erstmals das Hochpumpen von Donauwasser in die Stadt und ihre Vorstädte, wodurch die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung ab 1841 eine großflächige Wasserversorgung ermöglichte. 1873 konnte schließlich nach umfangreichen Studien und einigen Jahren Bauzeit die Erste Hochquellenleitung in Betrieb genommen werden. 1910 folgte die Zweite Hochquellenleitung.

Situationsplan der Albertinischen, Mariahilfer und Hernalser Wasserleitung aus dem Jahr 1832. (Wiener Stadt- und Landesarchiv)

So müssen wir dieser Tage beim Wasserholen zum Glück keinen Spiegel mehr mit uns tragen, um uns vor einem Wesen mit zackigem Schuppenschweif, glühenden Augen und warzigen Füßen, so als wäre es aus einem Hahne, einer Schlange und einer Kröte zusammengesetzt zu schützen …

Der Basilisk aus dem Brunnen in der Schönlaterngasse (Wien 1). (Wien Museum)