Autorin: Christine Ranseder
Aussagekräftige Funde werden in Bild und Wort dokumentiert, um möglichst viele Informationen für die Auswertung zur Verfügung zu haben. Dabei ergänzen sich Zeichnung, Foto und Beschreibung. Sie sind die Basisdaten für die Erforschung der materiellen Kultur der Vergangenheit.
Eine sorgfältige Dokumentation der Artefakte bietet darüber hinaus zweifachen Schutz. Die im Depot aufbewahrten Funde müssen seltener ausgepackt und angefasst werden, daher reduziert sich deren mechanische Beanspruchung. Sollte wirklich einmal ein Original verloren gehen, bleiben Aussehen und Beschaffenheit virtuell als Datensatz für die Nachwelt erhalten.
Von der Bleistiftzeichnung zur Vektorgrafik
Zeichnungen sind ein wichtiger Bestandteil archäologischer Fachliteratur. Sie ermöglichen es ArchäologInnen Fundobjekte von verschiedenen Fundorten zu vergleichen. Aufgrund von Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten können so – unter anderem – Zuordnungen zu „Kulturen“/Gruppen getroffen, die Verbreitung eines „Typs“ festgestellt und eine Feindatierung erarbeitet werden.
Gezeichnet wird mit Bleistift im Maßstab 1:1, das heißt in Originalgröße. Die Darstellung der Funde folgt in ihren Grundzügen Konventionen, die international verständlich sind. Die Ausfertigung der Reinzeichnung passt sich jedoch den Erfordernissen der unterschiedlichen Publikationen an. Ein Beispiel für Zeichenrichtlinien, in diesem Fall des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, können Sie hier sehen.
Gefäße werden längs einer Mittelachse aufgeschnitten dargestellt. Dabei wird die linke Gefäßhälfte im Schnitt gezeigt, das heißt die Profilierung der Gefäßwand, die Wandstärke und das Gefäßinnere werden sichtbar. Rechts der Mittelachse wird die Außenseite des Gefäßes wiedergegeben. Ist ein Henkel, Ausguss etc. vorhanden, kommt ein Querschnitt durch diesen hinzu. Von Gefäßen mit mehr als einer „Schauseite“ oder Besonderheiten, wie Tonfigürchen, werden mehrere Ansichten gezeichnet.
Handelt es sich um ein Bruchstück, ist die richtige Orientierung der Scherbe von größter Wichtigkeit. Das heißt, dass die Scherbe mit jenem Neigungswinkel, den sie einst am vollständigen Gefäß einnahm, dargestellt werden muss. Gezeichnet werden auch in diesem Fall sowohl das Profil als auch eine Ansicht der Scherbe.
Gegenstände aus Metall oder Bein erfordern fast immer eine Darstellung von Aufsicht, Seitenansicht und zahlreichen Querschnitten.
Zeichnungen geben einen Fund getreu wieder, vereinfachen dabei jedoch durch eine Konzentration auf das Wesentliche. Ein geübter Zeichner kann durch bewusste Betonung wichtige Details sichtbar machen, die auf einem Foto schlecht erkennbar wären. Darüber hinaus können Fehlstellen ergänzt oder aus Bruchstücken, die sich nicht zusammenkleben lassen, eine zeichnerische Rekonstruktion des Gefäßes erstellt werden.
Folgendes Werkzeug und Zeichenmaterial wird benötigt:
- Profilkamm oder dünner Zinndraht zum Abnehmen des Profils.
- Schieblehre zum Messen der Wandstärke.
- Verschiedene Lineale und Geodreieck. Mindestens zwei Lineale sollten den Nullpunkt direkt an der Kante haben – eines davon sollte von selbst stehen.
- Druckbleistifte/Bleistifte, Radiergummi, Zirkel.
- Weißes Papier und Millimeterpapier.
- Ein Blatt Karton/Millimeterpapier mit einer Reihe konzentrischer Kreise in 5-mm-Schritten zum Messen von Standflächendurchmesser und mit Profilkamm abgenommener diverser Durchmesser (selbstgemachtes Polarkoordinatenpapier). Im archäologischen Fachhandel wird dieses Hilfsmittel als „Radius-Schablone“ angeboten.
Es zahlt sich aus, einige Arbeitsbehelfe selbst anzufertigen. Ich verwende zum Messen von Standflächen gerne „Bodenscheiben“. Dabei handelt es sich um Kreise aus Karton in diversen Größen, die an das Bodenbruchstück angelegt werden können. Kreissegmente aus Karton – sie tragen den Spitznamen „Bananen“ – haben sich zum Abnehmen diverser Durchmesser, vor allem von schlecht gebrannter Keramik, bewährt. Für jede „Banane“ werden mit dem Zirkel von zwei verschiedenen Mittelpunkten, aber mit demselben Radius, ein Innen- und ein Außenbogen gezeichnet. Anschließend werden die gekrümmten Streifen ausgeschnitten, mit der Maßzahl des Radius beschriftet und aufgefädelt.
Für die Zeichnung eines vollständig erhaltenen Gefäßes werden zunächst auf einem Blatt Papier Grund- und Mittellinie gezogen. Nachdem man die Höhe des Gefäßes ermittelt hat, wird auch diese in Form einer Linie eingetragen. Danach heißt es: messen! Wichtig sind Rand-, Hals-, Bauch- und Standflächendurchmesser. Es kann aber auch nötig sein, an anderen Stellen zusätzliche Maße zu nehmen. Eine Arbeitserleichterung zum Feststellen von Distanzen zwischen z. B. Standflächenkante und größtem Durchmesser ist ein Blatt Millimeterpapier. Man stellt das Gefäß so darauf, dass die Standflächenkante auf einer Linie steht und Rand oder Bauch des Gefäßes ein Hilfslineal berührt. So können durch das Anlegen eines zweiten Lineals Abstände ermittelt werden. Alle Maße werden an entsprechender Position zwischen den Hilfslinien eingezeichnet.
Ist das Gefäß nicht höher als der Profilkamm, kann das Profil als Ganzes abgenommen und direkt unter Zuhilfenahme der bereits als Punkte eingezeichneten Maße auf das Papier übertragen werden. Sollte das Gefäß höher sein, muss überlappend in Etappen gearbeitet werden.
Bei Bruchstücken von Keramik wird ähnlich verfahren. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass es zunächst gilt, die richtige Orientierung des Fragments zu ermitteln. Am einfachsten geht das bei Randscherben, sie werden kopfüber auf die Tischplatte gestellt. Für Scherben von der Gefäßwand gibt es andere Tricks, um die richtige Orientierung zu finden. Alle Maße werden auf ein Blatt Papier übertragen und ein Profil gezeichnet. Hinzu kommt eine Aufsicht auf das Bruchstück. Heute werden die gezeichneten Ansichten gerne durch Fotos ersetzt, um Zeit zu sparen.
Für die Publikation müssen die Bleistiftzeichnungen umgezeichnet werden. Früher verwendete man dazu Tuschezeichner/Rapidographen. Heute wird die Originalzeichnung meist eingescannt und die Umzeichnung mit einem Vektorgrafikprogramm am Computer erledigt. Strichzeichnungen lassen sich im Druck gut wiedergeben. Vorsicht ist bei der Kombination mit Fotos geboten. Diese erleiden oft einen Qualitätsverlust, wenn sie aus Kostengründen nur Schwarz-Weiß gedruckt werden können.
Fotografieren
Fotos eignen sich hervorragend zur Dokumentation von Kleinfunden und der Oberflächen von Keramik. In der Wiedergabe von Verzierungen und Farben sind sie der Zeichnung zumeist überlegen. Bei der Form von Gefäßen besteht jedoch die Gefahr optischer Verzerrungen. Für die Darstellung von Keramik in wissenschaftlichen Publikationen gilt daher generell: Ein Foto kann eine Zeichnung nicht ersetzen. Es ist aber eine hervorragende Ergänzung.
Beschreiben
Unterstützt werden Zeichnung und Foto durch eine ebenso wichtige Beschreibung des Fundes. Hier kann nochmals auf Form- und Fertigungsdetails eingegangen werden. Die wichtigste Aufgabe der Beschreibung ist aber das Festhalten der Beschaffenheit eines Fundstückes, die auf der Zeichnung nicht dargestellt werden kann. So werden bei Keramik Informationen zu Brand, Tonqualität, Magerung, Farbe und Härte aufgelistet. Bei Metall spielen zum Beispiel Werkzeugspuren eine Rolle. Hinzu kommen Vermerke zum Erhaltungszustand, Maße, die Fundnummer und die Schicht- bzw. Objektzugehörigkeit.