Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Vielleicht haben Sie es schon schmerzlich vermisst, sich gefragt wann wir rund um den Stephansplatz von ihnen berichten werden? Und hier haben wir sie endlich: die Spuren des Legionslagers und der Lagervorstadt von Vindobona!
Eigentlich hätten wir uns von Rechts wegen, mit den römischen Gegebenheiten in diesem Teil des 1. Bezirks eigentlich gleich zu Anfang auseinandersetzen müssen. Immerhin stellen sie die erste archäologisch feststellbare Nutzung dieses Areals dar. Von der Entstehung des Legionslagers an, bis ins 3. Jahrhundert befand sich dort, wo jetzt der allbekannte Dom steht, vermutlich ein Teil der Lagervorstadt. Vermutlich? Nun, Sie werden sehen, es gibt da die eine oder andere ungelöste Frage.
Was hat man sich unter einer Lagervorstadt vorzustellen? In aller Kürze könnte man sagen: Alles was Zivil ist, aber in direktem versorgenden und sonstigen Zusammenhang mit dem Militär steht. Angefangen bei den Familien der Soldaten, über Händler und Handwerker, hin bis zur sonstigen Freizeitgestaltung eines Legionärs.
Der Stephansdom steht vollständig in der ehemaligen zivilen römischen Ansiedlung, der Platz davor reicht zumindest teilweise in die römischen Befestigungsanlagen hinein. Von den derzeit bekannten drei römischen Gräben, sollten sich der äußerste und vermutlich ein wenig vom Mittleren noch auf dem Platz befinden. Wir befinden uns hier also in einer Übergangszone, in der im Rahmen einer Grabung sowohl mit Militärischem als auch Zivilem zu rechnen ist.
Was hat sich nun seit letztem Sommer an römischen Überresten gezeigt? Erstaunlich wenig, wenn man die erwartete Befund- und Funddichte mit den tatsächlichen Grabungsergebnissen vergleicht. Im Bereich der Rotenturmstraße zeigten sich einige magere Reste von nicht näher definierbaren römischen Schichten. Auffallend war hier vor allem der Mangel an Fundmaterial. Während sonst meist die Keramik sprudelt, kaum dass man in römische Untiefen vordringt, war hier nichts.
Selbst wenn man in Erwägung zieht, dass die Lagervorstadt vielleicht nicht so flächendeckend war, wie gerne angenommen wird, sollte sich doch auch auf „freien“ Flächen Abfall finden. Abfallentsorgung mag in römischer Zeit disziplinierter durchgeführt worden sein, als zum Beispiel im „finsteren“ Mittelalter, aber nichtsdestotrotz, wäre hier dank menschlicher Schlamperei etwas zu erwarten. Ein Grund für den Mangel könnte sein, dass hier Spuren aus den allerersten römischen Siedlungs- und Befestigungsphasen vorliegen. Sozusagen aus der Zeit, bevor man überhaupt viel Abfall produzieren konnte. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es sich dabei um erste einfache fortifikatorische Maßnahmen wie Pfosten und Fallgruben handelte. Wo wir schon dabei sind anderen eine Grube zu graben: Bei den neuesten Befunden im Bereich Stephansplatz 8A ist nicht sicher, ob es sich nicht um Verfüllungen des äußersten römischen Grabens handelt. An sich ist ein römischer Graben eine im wahrsten Sinn des Wortes große Sache und sollte leicht zu erkennen sein, leider ist aber auch das eine Frage der Perspektive und des Bildausschnittes. Ein verfüllter Graben dessen Ränder nicht im Bildausschnitt auftauchen, unterscheidet sich prinzipiell nicht sehr von jeder anderen Schichtoberfläche, die Ihnen am Stephansplatz begegnen kann. Und es ist bei einer Baustelle diesen Ausmaßes auch nicht so, als käme immer brav eine Fragestellung nach der anderen auf einen zu. Gestern zum Beispiel zeigte sich an der Nordseite des Domes eine interessante Lage von Grabplattenfragmenten. Sie waren in einem Mörtelbett eben angeordnet und Teil des vorspringenden Fundaments des Domes. Was das nun wieder ist? Vermutlich weiß ich demnächst mehr …