Autoren: Constance Litschauer, Martin Mosser
Eine neue Baustelle im archäologischen Hoffnungsgebiet des 3. Wiener Gemeindebezirks lässt derzeit die Spannung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtarchäologie Wien ansteigen. Auch wenn die Grabungsfläche aufgrund barocker Kellereinbauten überschaubar ist und sich auf alte Innenhof- und Gartenbereiche beschränken sollte, sind bedeutende Reste zu den unterschiedlichen Zeitstellungen und die Beantwortung einiger Forschungsfragen zur Wiener Stadtgeschichte zu erwarten – oder zumindest zu wünschen.
Ausgangslage: Baustelle und Vorarbeit
Die gerade startende Ausgrabung findet im Zuge der Erweiterung und Sanierung der Zentrale des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger in der Kundmanngasse 21 in einem Gebiet statt, das durch seinen Lössboden und die Nähe zur Donau ideale Siedlungsvoraussetzungen bietet. Dementsprechend kann die Nutzung von der Gegenwart bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden.
Ob und wie viele Kulturrelikte noch im zu untersuchenden und derzeit unverbauten Erdreich stecken, hängt jedoch nicht nur von den jeweiligen Siedlungszonen, sondern ebenso von der bereits durch Probeschürfe und Archivrecherchen belegten neuzeitlichen Vorverbauung ab. Dabei lässt der Planbestand des Stadt- und Landesarchivs und der Österreichischen Nationalbibliothek darauf schließen, dass entlang der Erdbergstraße (= Wien 3., Erdbergstraße 9–13) bereits im Jahr 1781 drei Häuser (Konskriptionsnummer 234–236) mit Innenhöfen und ausgedehnten Gartenanlagen im rückwärtigen Teil des Grundstücks standen. Man kann also annehmen, dass im Bereich der mehrfach umgebauten und erst in den 1970er Jahren endgültig abgerissenen Häuser keine älteren archäologisch relevanten Strukturen zu erwarten sind, während die alten Innenhöfe bis heute weitgehend von Einbauten jüngeren Datums verschont geblieben sein dürften. Und hier handelt es sich um die archäologisch relevanten Verdachtsflächen, die in bereits gut erprobter Zusammenarbeit mit den Firmen Novetus GmbH und Albrechtsberger GmbH gemäß dem Denkmalschutzgesetz archäologisch untersucht werden sollen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt oder: Erwartungen
Die durchaus hoch gesteckten Erwartungen erklären sich sowohl durch Altfunde aus dem 3. Bezirk, als auch durch die für die Wiener Stadtgeschichte bedeutsamen archäologischen Entdeckungen am nur rund 100 m von der Grabungsfläche entfernten Rochusmarkt. Hier wurden in den Jahren 2014/15 anlässlich der Errichtung der neuen Unternehmenszentrale der Österreichischen Post AG („Post am Rochus“) nicht nur die bisher ältesten Belege für ein Gebäude aus dem Frühneolithikum (linearbandkeramische Kultur, ca. 5500–5000 v. Chr.), ein sogenanntes Langhaus, innerhalb unserer Stadt angetroffen, sondern auch spannende Überreste anderer Epochen. So war es möglich, innerhalb einer spätkeltischen Siedlung mit Grubenhäusern, Brunnen und Werkstätten aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. auch römisches Fundmaterial als ältesten Beleg für die Anwesenheit von Römern im Wiener Raum zu identifizieren.
Aber auch der erste archäologische Nachweis für eine Vorstadtbefestigung des 15. Jahrhunderts in Wien in Form einer mächtigen Grabenanlage um die mittelalterliche Vorstadt St. Niklas vor dem Stubentor ist nennenswert.
Daher stellen sich für unser archäologisches Projekt an der Erdbergstraße folgende Fragen:
- Sind überhaupt archäologisch relevante Überreste vorhanden?
- Finden wir ein weiteres Langhaus aus der Jungsteinzeit oder andere Strukturen aus dieser Epoche?
- Dehnt sich die spätkeltische Siedlung am Rochusmarkt über die Erdbergstraße nach Osten weiter aus? Wenn ja, treten auch hier römische Funde gemeinsam mit latènezeitlichen Funden auf?
- Gibt es auch außerhalb des Umfassungsgrabens um die Vorstadt St. Niklas mittelalterliche Funde?
- Oder – wie so oft – werden wir von vollkommen unerwarteten Überresten überrascht?
In den nächsten Wochen werden wir die Antwort wissen –hier halten wir Sie auf dem Laufenden!