Der Stephansplatz – zentraler geht es fast nicht mehr

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Kann man aus Wiener Sicht an einer zentraleren Stelle Archäologie betreiben als  am Stephansplatz? Wird der Dom nicht oft genug als –  auch touristisch wirksames  – Herzstück dieser Stadt gepriesen?

Romantisch ist sie auf jeden Fall und ganz unrichtig ist sie auch nicht: die Vorstellung, dass der Stephansdom in Wiens Mitte liegt. Spätestens ab dem 13. Jahrhundert, nach der Errichtung der ambitionierten babenbergischen Stadtmauer, nehmen Stephansdom  und -platz eine sehr zentrale Position ein. Vorher? Blickt man weiter zurück und betrachtet die „römischen Verhältnisse“,  sieht die Angelegenheit ganz anders aus. Für nicht ganz drei Jahrhunderte herrschte  hier ziviles Leben und der heutige Stephansplatz war Teil der canabae legiones, jenes Bereiches um das Legionslager herum, in dem sich die Familien der Soldaten und andere Zivilisten aufhielten.  In der Spätantike, nach der Aufgabe der Siedlungsbereiche,  werden hier – auch nicht gerade zentral – Gräber angelegt.

Zwischen dem  4. und  8. Jahrhundert werden die Zeichen menschlicher Anwesenheit  im heutigen 1. Bezirk spärlich. Erst im 9./10. Jahrhundert wird es am Stephansplatz wieder etwas lebendiger, oder, besser gesagt, „lebhaft“ tot: Aus dieser Zeit finden sich wiederum Gräber direkt unter dem heutigen Dom. Ob es sich dabei um einen richtigen Friedhof mit einer Kirche gehandelt hat, ist zwar eine wesentlich Frage, aber Mangels archäologisch nachweisbarer Spuren der Kirche nicht sicher.

Auch der allseits beliebte Stephansdom, ein Wiener Bauwerk mit Wahrzeichencharakter, hat etwas undurchsichtige Wurzeln. Alle Neuigkeiten zu diesem Thema  lassen sich am besten mit zwei  Buchtipps zusammenfassen. Zum einen wären da die jüngsten archäologischen Grabungsergebnisse, bzw. eine umfangreiche Zusammenfassung aller älteren Forschungsergebnisse, die den Dom betreffen: Archäologie und Bauforschung im Wiener Stephansdom. Quellen zur Baugeschichte des Domes bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, hg. von Nikolaus Hofer, Wien 2013. Zum anderen bietet sich hier ein Katalog zu den mittelalterlichen Plänen des Stephansdomes an, der anlässlich einer Ausstellung im Wien Museum entstanden ist:  Der Dombau von St. Stephan – Die Originalpläne aus dem Mittelalter.

Künettenarchäologie

Für alle die jetzt voller archäologisch-stadtgeschichtlicher Begeisterung in Richtung Stephansplatz streben wollen: Viel ist derzeit natürlich nicht zu sehen. Eine Künette ist selbst für den geschulten Archäologen oft eine Herausforderung, die Ergebnisse kleinräumiger, oft verwirrender und viel weniger „einsichtig“ als bei einer „richtig großen“ Ausgrabung. Nichts desto trotz: An einem Ort mit so vielen Jahrhunderten Geschichte im Untergrund wird sich wohl noch die eine oder andere berichtenswerte Neuigkeit ergeben und wir habe vor, Sie hier auf dem Laufenden zu halten. Vor Ort sind eine kleine Infotafel und regelmäßig Informationsführungen geplant. Für alle, denen das im Moment zu kalt und ungemütlich ist, empfehlen wir weiteres Lesen unseres Blogs, wo sie im Warmen und Gemütlichen mit allen wesentlichen Details versorgt werden!