Statussehnsucht?

Autorin: Christine Ranseder

Das kleine Fundmaterial aus der Währinger Straße 25A verleitet mich zwar nicht zum begeisterten Gluckern, es ist aber eine nette Abwechslung und willkommenes Augenfutter. Die Keramikbruchstücke zeigen ein erfreulich vielfältiges Spektrum, das über die zumeist dominierende Kategorie „Topf“ hinausgeht. Offensichtlich wurde hier auch zu Bruch gegangenes Tischgeschirr entsorgt, von dem sich die einstigen Benutzer unter anderem visuelle Stimuli erwartet hatten. Neben Malhornware und Fragmenten mit Träufeldekor fand sich sogar eine Scherbe von Steinzeug nach „Westerwälder Art“, das in Fundmaterial aus Wien relativ selten aufscheint. Aber wie bereits von meiner Kollegin Ingeborg Gaisbauer angekündigt, soll es zunächst um die Keramik mit blauer Bemalung gehen.

Die Liebe der Europäer zur blauen Bemalung auf weißem Grund geht auf den Import chinesischen Porzellans, der mit der Gründung der Vereinigten Ostindischen Kompanie (1602) in Schwung kam, zurück. Der Luxusartikel konnte jedoch nicht immer in ausreichender Menge eingeführt werden. Fayencehersteller im niederländischen Delft erkannten eine Marktlücke und begannen zunächst Kopien des weiß-blauen chinesischen Porzellans anzufertigen. Später wurde ihr Stil freier und auch europäische Motive fanden Eingang in das Repertoire der Verzierungen. Der Einfluss dieser niederländischen Produkte war beträchtlich. Mit der Zeit wurden blau-weiße Fayencen mit Mustern aller Art in vielen Ländern Europas hergestellt. Sie wurde für jene Bevölkerungsschichten, die sich das teure Porzellan nicht leisten konnten, zum „besseren“ Tischgeschirr.

Einer der attraktivsten Funde aus der Währinger Straße 25A ist das Bruchstück eines Tellers mit der Darstellung von zwei Häusern mit Spitzdächern. Der Maler trug die blaue Farbe mit schwungvollen dicken Pinselstrichen auf. Die Anordnung der Häuser und ihre auffallende Dachform findet sich auf einem Teller in der Sammlung des Salzburg Museums wieder, der aus der „Majolika oder Weißgeschirrfabrik in der Riedenburg“ stammt. Der Wiener Fund dürfte also in dieser von 1736 bis 1848 bestehenden Manufaktur mit Sitz in dem damaligen Vorort von Salzburg hergestellt worden sein.

Bruchstück eines Tellers mit der Darstellung von Häusern aus der Grabung in der Währinger Straße 25A.

Von einem anderen Teller ist die Glasur fast vollständig abgeplatzt. Einige Reste mit blauem Muster lassen erahnen, wie üppig er einst verziert war. Unter einem Band mit mäanderartig angeordneten Häkchen sind noch ein Muster aus Bögen und senkrechten Strichbündeln zu erkennen.

Bruchstück eines Tellers mit Resten blauer Bemalung auf weißem Grund, Grabung Währinger Straße 25A.

Sparsamer fällt die Verzierung auf Tassen, Untertassen und Schüsseln aus. Die Muster sind einfach gehalten, in der Ausführung mangelt es an Präzision. Reihen kleiner Bögen erfreuten sich offensichtlich großer Beliebtheit. Von den hochwertigen Produkten mit Dekor nach ostasiatisch-chinesischen Vorbildern sind wir hier bereits weit entfernt.

Fayence mit blauer Bemalung auf weißen Grund, Grabung Währinger Straße 25A.

Aber es ist doch allemal vergnüglicher Tee oder Kaffee aus verzierten Tassen/Untertassen zu trinken! Kleines kulturhistorisches Detail am Rande: Die beiden Getränke wurden anfänglich tatsächlich zum Abkühlen in die Untertasse geschüttet und aus dieser getrunken.

Diese Kaffeetrinkerin gießt gerade ihr Getränk in die Untertasse. Peter Jacob Horemans, Stillleben mit weiblicher Figur, 1770 (Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek München, Inventarnummer 2945)

 

Sollte Ihr Interesse an verzierter Keramik geweckt worden sein: Unsere Ausstellung „Schnörkel & Co“ widmete sich 2014 ganz diesem Thema und kann nun hier nachgelesen werden.