Autorin: Christine Ranseder
Besitzen Sie auch einen Salzlöffel oder ein Salatbesteck aus Holz? Oder haben Sie vielleicht schon selbst einen Löffel geschnitzt? Holz ist ein wunderbares Material, das sich leider im Boden nur unter besonderen, günstigen Bedingungen erhält. Unbrauchbar gewordene Holzlöffel dienten darüber hinaus auch als Brennmaterial. Doch wir hatten Glück! In der Werdertorgasse 6 kamen gleich dreizehn, mehr oder weniger vollständig erhaltene Esslöffel aus dem Spätmittelalter zu Tage.
Angesichts der im Mittelalter die tägliche Mahlzeit der meisten Menschen dominierenden Breie und flüssigen Speisen waren Holzlöffel das wichtigste Gerät zur Nahrungsaufnahme. Anders als Messer und Pfriem gehörten sie in der Regel nicht zum persönlichen Besteck, das in einem Köcher am Gürtel getragen wurde. Zu den Mahlzeiten legte man die Holzlöffel einfach auf den Tisch und benutzte sie durchaus auch gemeinschaftlich. Deshalb rückten mit dem Aufkommen der „Tischzuchten“ auch sie in den Fokus der Benimmregeln. So mahnte z. B. Erasmus von Rotterdam in seiner Schrift „De civilitate morum puerilium“ aus dem Jahr 1530: „Wenn es etwas Flüssiges ist, was man dir reicht, koste es und gib den Löffel zurück, aber wisch ihn vorher an der Serviette ab.“
Die Löffel aus der Werdertorgasse 6
Löffel können aus vielen Materialien hergestellt werden. Im Mittelalter ist Holz am gebräuchlichsten. Ab dem 15. Jahrhundert tritt die Kombination von Holzlaffe und auf den Stiel aufgeschobener Hülse aus Metall auf.
Die in der Werdertorgasse gefundenen Löffel aus dem 14./15. Jahrhundert zeigen eine verhältnismäßig große Bandbreite in der Ausführung. Die Laffen sind durchwegs groß und annähernd rund bis leicht oval. Mit Hilfe eines an der Außenseite etwas abgeflachten Bodens ließen sich drei der Löffel bei Tisch besser ablegen – im gefüllten Zustand auch ohne zu kleckern.
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Die Länge der erhaltenen Stiele liegt zwischen etwa 9 und 11 cm. Die Enden schließen gerade oder etwas abgeschrägt ab, der Querschnitt ist rund, oval oder rechteckig. Die durch einen leichten Schwung des Stiels ergonomische Formung, bereits im 13. Jahrhundert ein benutzerfreundliches Detail, verbessert die Lage in der Hand.
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Die Löffel sind relativ schmucklos, nur ein Exemplar weist eine aufwändigere, flächige Verzierung auf.
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Ess- oder Kochlöffel?
Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Tisch- und Küchengerät wird gerne der Ansatz und Schwung des Stiels herangezogen. Esslöffel besitzen meist einen winkelig gebrochenen, leicht geschwungenen Stiel, bei Rührlöffeln hingegen liegen Stiel und Laffe in einer Ebene. Hinzu kommt als Unterscheidungskriterium die größere Länge der Kochlöffel.
Auf einer Darstellung von Mariens Geburt sind beide Löffelarten zu sehen: Eine Magd hält einen Esslöffel mit kurzem Stiel und eine Daubenschale in den Händen, um der heiligen Anna kräftigende Nahrung zu reichen. Im Hintergrund der Szene steht eine Frau, die mit einem langen Kochlöffel Brei in einem am Herdfeuer stehenden Topf umrührt.
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Welches Holz?
Aus sieben Löffeln wurden für die Bestimmung des Holzes Proben geschnitten. Dabei stellte sich heraus, dass sechs Exemplare aus Tannenholz geschnitzt worden waren. Das Holz der Tanne (Abies alba) ist harzfrei, wodurch es geruchs- und geschmacksneutral ist. Darüber hinaus ist es verhältnismäßig beständig gegen Säuren und Alkalien. Tannenholz eignet sich daher vorzüglich für Gegenstände, die mit Nahrungsmitteln in Berührung kommen.
Ein Löffel wurde aus giftigem Eibenholz (Taxus baccata) angefertigt. In diesem Sinne: Mahlzeit!
Tipp: Mehr über die Holzlöffel und anderes mittelalterliches Essgerät können Sie in Fundort Wien 27 lesen.