Autorin: Christine Ranseder
Parallel zum emsigen Zeichnen und Beschreiben der Funde findet die Interpretation der auf der Ausgrabung dokumentierten Befunde statt. Dies kann durch FundbearbeiterInnen selbst erfolgen, wird in der Praxis jedoch oft von ArchäologInnen übernommen, die sich mehr zu Mauern und Bodenverfärbungen hingezogen fühlen oder schlichtweg GrabungsleiterInnen waren. Archäologie ist eben Teamarbeit.
Die Tatsache, dass heute auf der Ausgrabung kaum mehr händisch gezeichnet sondern die Befunde digital dokumentiert werden, fördert schon allein wegen der zur Auswertung notwendigen Computerprogramme „Spezialistentum“. Die Fragen mit denen man sich in dieser Phase der Aufarbeitung herumschlägt sind mannigfaltig. Wie ist die Abfolge der Schichten? Schneidet eine Grube die andere? Lassen sich Pfostenlöcher zu einem Hausgrundriss verbinden? Welche Mauern gehören zu derselben Bauphase? Zeichnet sich ein Zerstörungshorizont ab? Und so weiter …
Schließlich werden die Funde den Befunden zugeordnet. Passt jetzt datierungsmäßig noch alles zusammen? Im Dialog mit sich selbst oder in hitzigen Diskussionen zwischen Fund- und BefundbearbeiterInnen kann nun die historische Einordnung des „im Feld“ Dokumentierten geklärt werden. Stehen die chronologische Abfolge der Befunde und die Zuordnung der Funde endlich fest, wird mit der Erstellung des Katalogs begonnen. In ihm werden Befund- und Fundbeschreibungen als Datenbank oder Textdokument zusammengeführt.
BefundbearbeiterInnen zieht es nun – mit Ausdrucken der Pläne gut gerüstet – auf der Suche nach Vergleichbarem in Bibliotheken und fallweise auch in Archive. FundbearbeiterInnen müssen – bevor sie den Katalog „füttern“ – noch einen Zwischenschritt einschieben und Ordnung in die Zeichnungen/Beschreibungen bringen, denn die Auflistung der Funde erfolgt nach gewissen Kriterien. Dazu zählen bei Keramik z. B. Warenart (Porzellan, Irdenware etc.) und Gefäßform (Töpfe, Krüge, Schalen etc.). Um sich für die Recherche optisch einen Überblick zu verschaffen, werden mit den verkleinerten Zeichnungen zumeist Arbeitstafeln angefertigt. Dabei geht es in der Regel um zwei Fragen: Welches Fundspektrum ist in einem Befund vertreten? Wie sieht die Typologie aus? Gleichzeitig wird nach kulturhistorisch besonders aussagekräftigen Stücken gesucht.
Ist diese anspruchsvolle Spielerei fertig, heißt es ab in die Bibliothek zur „Parallelensuche“! In der Archäologie wird damit die Suche nach Vergleichsstücken im Fundmaterial anderer Grabungen verstanden. Für beträchtliche Zeit verschwinden ArchäologInnen also hinter Stapeln aus Büchern, um zu lesen und sich Notizen zu machen. Mittlerweile ist auch das Internet zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die Recherche geworden, nicht nur wegen der online-Objektdatenbanken von Museen und E-Books. Zu guter Letzt kann auch das Gespräch mit KollegInnen helfen, einen Fund einzuordnen oder eine neue Sichtweise auf ein kniffeliges Problem zu finden.