Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Nach dem Stephansplatz ist es jetzt für die Rotenturmstraße und ihr allernächstes Umfeld soweit. Die gesamte Oberfläche wird erneuert, eine Begegnungszone eingerichtet und im Vorfeld natürlich einige Arbeiten im Untergrund, Leitungen aller Art betreffend, durchgeführt. Und genauso wie am Stephansplatz wird es auch hier eine archäologische Begleitung der einzelnen Schritte geben. Immerhin ist dieser heutige Straßenzug mit einer fast ebenso abwechslungsreichen Geschichte gesegnet wie der Platz um St. Stephan. Grund genug, sich in dem einen oder anderen Blogbeitrag mit eben dieser Geschichte etwas genauer auseinanderzusetzen und die neuen Ergebnisse vorzustellen.
Die Wurzeln der Rotenturmstraße sind von einer verbindenden Begegnungszone so weit entfernt, wie man sich das nur vorstellen kann. Als der römische Adler sich hier zurechtgerückt hatte und ernsthaft zu nisten begann, verlief mehr oder weniger unter den Häusern mit den ungeraden Nummern die Mauer des Legionslagers zwischen Donauarm und heutigem Stephansplatz an der Ostseite des Lagers. Davor lag ein Grabensystem, das sich mit der Zeit ebenso veränderte und adaptiert wurde, wie offenbar die Mauer selbst. In der Spätantike wurde die Mauer um das Legionslager offenbar verstärkt. Was man an der Ostseite tat, ist immer noch nicht ganz klar, möglichweise versetzte man sie. Das klingt einigermaßen vage angesichts der Tatsache, dass wir hier über eine tonnenschwere Mauer und nicht über die sprichwörtliche, ebenfalls graue Maus sprechen – aber vergessen Sie bitte nicht, dass wir keine Forschungsgrabungen betreiben. Auch prominente Objekte, wie die Befestigung des Legionslagers „suchen“ wir nicht sondern erforschen sie nur, wenn sie uns als archäologischer Nebeneffekt eines Bauprojekts „angetragen“ werden. Wenn das nicht geschieht – und die Legionslagermauer ist seit mehr als hundert Jahren nicht mehr „aufgetaucht“ – sind auch wir auf Mutmaßungen angewiesen. Auch bezüglich des Grabensystems, können wir nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise kam es zu einer Verbreiterung im unteren Teil der Rotenturmstraße zum Rabensteig hin. Dort wäre der Graben in der Spätantike dann auffallend breit und vermutlich auch einigermaßen tief gewesen.
Mit dem Ende der römischen Präsenz wurden auch die verschiedenen Teile der Befestigung nicht mehr gewartet. Wie weit der Graben auf natürlichem Wege zugeweht, zugeschwemmt und mit Schuttmaterial angefüllt wurde, ist unbekannt. Derzeit geht man davon aus, dass unter den Babenbergern die Reste der Legionslagerbefestigung für eine kurze Zeit wiederum als Befestigung genutzt wurden, ehe man die babenbergische Stadtmauer baute. Soweit die Theorie. Solche Theorien lassen sich fast ebenso schwer beweisen wie widerlegen, tatsächlich könnte ein genauerer Blick auf die Rotenturmstraße hier aber hilfreich sein. Soweit man das den schriftlichen Quellen entnehmen kann, wurde im Bereich des ehemaligen Grabens einige Zeit und bis ins 14. Jahrhundert ein offenes Abwassergerinne geführt. Erst 1388 findet sich eine schriftliche Nennung einer Einwölbung weiter oben im Bereich der Brandstätte. Hier wird also eine zivilisiert geschlossene Oberfläche geschaffen. Stellen Sie es sich bildlich und olfaktorisch vor: Reste des großen Grabens prägen als müffelndes Rinnsal diesen Straßenzug bis ins Spätmittelalter hinein! Vielleicht haben die Anrainer freundlicherweise auch ein wenig Abfall auf diese Art entsorgt? Das wäre doch glatt ein gefundenes Fressen – archäologisch betrachtet.
Und dann gibt es da auch noch den namensgebenden Roten Turm, aber dazu ein anderes Mal.
Wie auch immer, die Arbeiten haben angefangen und wir werden sehen, was wir eben sehen werden. Fürs erste wurde in einer Künette im Bereich Fleischmarkt eine Grube angeschnitten. Eine genauere Sichtung der Funde datierte die jüngsten Stücke unter den wenigen Keramikscherben ins 11./12. Jahrhundert.