Autorin: Ute Stipanits
Fundort Wien, der Jahresbericht der Stadtarchäologie Wien, erscheint nun schon zum zwanzigsten Mal. Einband und Layout mögen sich geringfügig geändert haben, im Wesentlichen ist er aber seinem farbenfrohen Auftreten und dem übersichtlich nach Aufsätzen und Fundchronik geordneten Inhalt treu geblieben. Hier wird fündig, wer sich für die Vergangenheit Wiens interessiert, gleichviel ob aus den historisch-archäologischen Wissenschaften kommend, der Touristikbranche oder dem Laienpublikum. Wie groß der Kreis der archäologischen Fangemeinde in Wien ist, zeigt sich immer wieder am regen Besucherstrom bei unseren Ausgrabungen. Daher sind wir bemüht, sehr zeitnah eine erste Zusammenfassung unserer Ergebnisse vorzulegen. Eine vollfarbig gehaltene E-Book-Version ermöglicht darüber hinaus eine kostengünstige Themenauswahl nach individuellen Bedürfnissen.
Leben an der Limesstraße
Aus dem aktuellen, natürlich wesentlich mehr Epochen streifenden Band haben wir für diesen Rahmen einige Favoriten aus der Zivilsiedlung Vindobona im 3. Bezirk ausgewählt. So hat es uns besonders der Fund einer ungewöhnlichen Pantherfibel vom Rennweg 52 angetan, die vielleicht einmal das Gewand einer Bewohnerin schmückte. Eine solche ist uns sogar namentlich überliefert: VLPIA CRISPINA. Wie es häufiger vorkommt, hat sie offenbar ihr „gutes Geschirr“ aus Terra Sigillata am Boden mit ihrem Namen markiert. Wunderbar ergänzen sich auch der Kopf eines Silens oder auch Satyrs – einer Figur aus dem Gefolge des Weingottes Bacchus – und das dazu passende Model aus gebranntem Ton. Hier und am Rennweg 73 wurden mehrere Streifenparzellen mit ihrer mehrphasigen Bebauung freigelegt, die sich an der einstigen Limesstraße orientierte.
Rätische Glanztonware – Begehrter Import
Das Cover unseres Jubiläumsbandes ziert das Detailfoto eines Bechers der sog. Rätischen Glanztonware. Dieses Trinkgefäß gehörte zu einem hochwertigen Luxusgeschirr, das etwa vom Beginn des 2. Jh. bis ins 3. Jh. n. Chr. vorwiegend in der westlichen Provinz Rätien produziert wurde. Für unser besonders gut erhaltenes Exemplar kommt am ehesten eine Werkstatt in Faimingen, dem antiken Phoebiana, infrage. Es könnte zum Beispiel über die Donau nach Vindobona importiert worden sein. Hier wurde es am Rennweg 44 bei einer Grabung des Jahres 1989/90 entdeckt. Abgesehen vom charakteristischen Dekor aus Ratterbändern und mondsichelförmigen Barbotine-Auflagen besticht es durch seine handwerkliche Qualität: dünnwandig, hart gebrannt und mit fast schwarzem, metallisch glänzendem Überzug versehen.
Sang- und klanglos entschwunden?
Musiziert wurde offenbar ebenfalls in der nach bisherigem Wissen überwiegend von Handwerkern und Händlern bewohnten Zivilsiedlung. Vom selben Fundort, Rennweg 44, stammen Blasinstrumente: das Fragment einer einfachen Flöte mit drei Grifflöchern aus der Elle eines (Gänse-)Geiers und vier gedrechselte Knochenstücke mit Längsbohrung und Zapfen geringeren Durchmessers. Letztere lassen sich vielleicht als Bestandteile von Trompeten, den Pfeifen einer Tibia oder des Dudelsacks deuten.
Dies und noch viel mehr „Tiefgründiges“ ist in unserem aktuellen Jahresbericht zu finden!
Aus dem Inhalt von Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 20/2017
Kristina Adler-Wölfl mit einem Beitrag von Heike Krause, Die Grabungen in Wien 3, Rennweg 73 (2016).
Christine Ranseder, Eine Nadel vom Rennweg 73, Wien 3.
Martin Mosser mit Beiträgen von Kristina Adler-Wölfl, Eleni Eleftheriadou, Ingeborg Gaisbauer und Sabine Jäger-Wersonig, Grabungen in der nordöstlichen praetentura des Legionslagers Vindobona im Areal des ehemaligen Lazen- und Dreifaltigkeitshofes.
Martin Penz/Michaela Binder/Hannah Grabmayer, Zu den mittelalterlichen Bestattungen in der Johanneskirche in Wien-Unterlaa.
Martin Penz/Zoja Benkovsky-Pivovarová, Bronzezeitliche Hügelgräber im Halterbachtal, Wien 14.
Eleni Eleftheriadou, Rätische Glanztonware Drexel IIa in Vindobona – hochwertige importierte Gefäßkeramik.
Sylvia Sakl-Oberthaler/Beate Maria Pomberger, Fragmente römischer Blasinstrumente aus der Zivilsiedlung von Vindobona.