Autorin: Christine Ranseder
Von den spätmittelalterlichen Anfängen der Paradeisgartelmauer war bereits im letzten Blog zu lesen. Aus heutiger Sicht betrachtet, lag dem Kaiser weder das Wohl des Klimas noch des Volkes am Herzen, als er sich zum Ausbau seines Lustgartens entschloss. Ein ansehnlicher Garten, der nicht zur Produktion von Nahrungsmitteln diente, war schlichtweg ein Statussymbol. Doch die Idylle mit Obstbäumen, Rosen, Teich und Vogelhaus währte nicht lange. Durch einen Brand im Jahr 1525 und die Erste Türkenbelagerung 1529 wurde die Gartenanlage stark beschädigt. Ein guter Zeitpunkt für grundlegende Veränderungen? Keineswegs.
Der Garten wurde wiederhergestellt, die Mauer verstärkt und das Gelände des Paradeisgartels aufgeschüttet, sodass eine Terrasse entstand. Zusätzlich errichtete man eine als Ballhaus bezeichnete Spiel- und Festhalle. Weitere Umgestaltungen folgten, doch mit der Zeit verlor der Lustgarten an Bedeutung. 1729 wurden seine Mauern gesprengt um die Winterreitschule zu errichten.
Maria Theresia entschied 1741 das Ballhaus in ein Theater umzuwandeln. Das Gebäude wurde erweitert und wenige Jahre später die Bühne vergrößert. Fundamentmauerreste des Bühnentraktes und eines Heizraumes – das Theater hatte ab 1829 eine Warmluftheizung! – konnten während der Ausgrabung freigelegt werden. Zu sehen ist heute davon nichts mehr. Alte Fotografien zeigen einen schmucken Bau, der schließlich im Jänner 1889 abgerissen wurde.
Die Privathäuser des „Stöckls“
Die Wurzeln dieses Häuserblocks reichen bis ins Mittelalter zurück. Es handelte sich um Wohnhäuser, in denen zu ebener Erde Geschäfte und Lokale untergebracht waren. Über die Jahrhunderte erfuhren die Häuser natürlich bauliche Veränderungen – sehr zur Freude der ArchäologInnen, welche die Keller der Häuser Nr. 4, 5 und 7/8 untersuchen konnten. Wie bei Immobilien üblich, wechselten auch Besitzer, Mieter und Geschäftstreibende mit der Zeit. Das dem Kohlmarkt zugewandte Eckhaus beherbergte z. B. im 17. und 18. Jahrhundert die Apotheke „Zum schwarzen Adler“, in deren Geschäftsräume ab 1764 eine Branntweinbude einzog. 1834 wurde an seiner Stelle ein neues Mietshaus (Haus Nr. 5) errichtet, in dessen zweigeschossige Kelleranlage Sie noch heute am Michaelerplatz einen Blick werfen können. Die unterirdischen Räume wurden eine Zeit lang von dem Ofenfabrikanten Hermann Heim genutzt. Er erhielt 1886 die Bewilligung, im rückwärtigen Teil seines Geschäftes in Haus Nr. 5 einen Warenaufzug in den Keller zu errichten. Heims Nachbar, der Optiker Jakob Waldstein, vertrieb im Eckgeschäft desselben Hauses in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter anderem optische Instrumente und in der eigenen Fabrik erzeugte Flint- und Crown-Glas-Linsen.
Nach dem Beschluss die Hofburg auszubauen und damit zu vollenden, mussten die Häuser des „Stöckls“ weichen. Zunächst wurden um 1889/90 die Häuser Nr. 2, 6 und 7/8 abgerissen, zum Jahreswechsel 1892/93 folgten ihnen die Häuser Nr. 3, 4 und 5.
Der Michaelerplatz, wie wir ihn heute kennen, begann Gestalt anzunehmen. 1897 wurde das Palais Dietrichstein, in dem sich seit 1847 das Café Griensteidl befunden hatte, abgerissen und durch das Palais Herberstein ersetzt. Zu guter Letzt fiel auch noch das Dreilauferhaus der Abrissbirne zum Opfer und das Looshaus erhob sich 1909–1911 wie ein Phönix aus der Asche. Mit seiner Errichtung wurde aus der ehemaligen Straßenkreuzung endgültig ein stattlicher Platz – der Michaelerplatz war endlich vollendet.
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Christine Ranseder / Sylvia Sakl-Oberthaler et al.
Michaelerplatz. Die archäologischen Ausgrabungen
Wien Archäologisch 1
2., überarbeitete und erweiterte Auflage (Wien 2011)
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