Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Nicht immer sind es die neuen, „bodenfrischen“ Funde, mit denen man sich in der Hoffnung auf Antworten auseinandersetzt. In Städten sind Not-/Rettungsgrabungen nun einmal die Regel, was oft dazu führt, dass man lange wartet, bis ein Areal, das möglicherweise Fragen beantworten kann, (wieder) in Angriff genommen wird. Die Alternative dazu ist es dann manchmal „tiefer“ in der Vergangenheit, soll heißen den Altgrabungsbeständen, zu suchen und sich bereits bekannte Funde unter neuen Gesichtspunkten anzusehen.
Beschäftigt man sich zum Beispiel mit der Frage nach dem mittelalterlichen Siedlungsbeginn und speziell der Entwicklung Wiens in babenbergischer Zeit, muss man nehmen, was sich nach Jahren der Rettungsgrabungen an Material anbietet.
Aus diesem Grund wurde angefangen gezielt Material auch aus älteren Grabungen zu sichten, das aus der mehr oder weniger direkten Umgebung noch offener archäologischer Fragestellungen kommt. Der Schwerpunkt liegt hier zuerst einmal auf dem Gebiet Am Hof und in weiterer Folge der Freyung und Herrengasse, urkundlich belegten Brennpunkten ab der 1. Hälfte des 12. Jh.
Nicht ohne freiwillige Hilfe möglich
Vor allem das schnelle Sichten von größeren Materialmengen, ist etwas, das sich ohne Hilfe nur schwierig bewerkstelligen ließe. Die Unterstützung durch hoch motivierte ehrenamtlich Mitwirkende macht es erst möglich rasch zu ersten Ergebnissen zu kommen und sich zumindest einen groben Überblick über die „Keramiklandschaft“ einer Fundstelle zu verschaffen. Auf diese Art lassen sich natürlich auch Fragen zu Besiedlungsbeginn und Entwicklung leichter in Angriff nehmen.
Wiens Anfänge – Den Babenbergern sei Dank!
Wie wenig wir auch generell über den Anfang der mittelalterlichen Besiedlung in Wien wissen mögen: eins zumindest scheint weitgehend erwiesen. Im 12. Jh. rückte Wien massiv in den Focus der politischen und sonstigen babenbergischen Interessen. Am Hof wurde als Areal für eine Residenz gewählt und auf der Freyung das Schottenkloster gegründet. Das Errichten von repräsentativen Bauten aller Art macht bekanntlich hungrig, eine Versorgung mit Lebensmitteln, aber auch dem nötigen Kochgeschirr um selbige zuzubereiten war also unumgänglich. Sofern es sich bei dem Kochgeschirr um Objekte aus Metall handelte – der Gedanke an den großen Kessel über dem offenen Feuer kommt hier wohl jedem – sind schon die Chancen für eine Entsorgung, die aus dem Küchenutensil ein Fundstück machen könnte, gering. Metall war meist einfach zu kostbar um nicht wieder eingeschmolzen und neu verarbeitet zu werden. Anders verhält es sich da schon mit Keramik. „Billiger“ und nicht recycelbar findet Geschirr aus gebranntem Ton viel eher Eingang ins Spektrum der archäologischen Bodenfunde.
Keramik des 12. Jh.
Wie sieht sie denn nun aus, die typische Keramik aus den Tagen der Babenberger? In guter alter Tradition der Keramik seit dem 9. Jh. darf man in Wien mit graphitgemagerten Scherben rechnen, nur sind sie oft nicht mehr grauschwarz durch reduzierende Brandführung bei der Herstellung. Oft haben sie eine rötlichbraune Oberfläche durch ein Ansteigen des Sauerstoffs in der Brennatmosphäre. Die Gefäßformen und Typen sind noch eher einfach und zweckdienlich, man findet Töpfe, Schüsseln. Pfannen, gelegentlich Flaschenformen. Anspruchsvolleres Geschirr vor allem aus Metall steht uns natürlich wiederum nicht zur Verfügung.
Ein Palais, schottische Mönche die Iren waren …
Da man nie genau sagen kann, wie sich Abfallverlagerung im Hochmittelalter in einem bestimmten Gebiet abgespielt hat und was spätere Bauvorgänge dem Fundmaterial darüber hinaus angetan haben, ist es sinnvoll, um den eigentlichen Interessenschwerpunkt einen etwas größeren Radius zu wählen. So war es nahliegend, sich bei der Suche nach materiellen Hinterlassenschaften des „Schottenklosters“, das ja eigentlich in seiner Gründung durch und durch irisch gewesen ist, mit der vor ein paar Jahren abgeschlossenen Grabung im Palais Porcia auseinanderzusetzten.
Die Fragestellungen waren klar:
Was verraten uns die (Keramik-)Funde über die früheste Besiedlung zwischen Herrengasse und Freyung?
Gab es siedlungstechnische Anstrengungen vor dem 12. Jh.?
Wie stark ist auf der „anderen Seite“ der Freyung der Einfluss des „Schottenklosters“ – abfalltechnisch versteht sich – festzustellen?
Wirkt sich die alte und wichtige „Herrengasse“ hier aus?
Wir wurden in jedem Fall überrascht!
… und ein Mangel an Kochtöpfen
Ein Mangel an Keramik aus dem 9.-11. Jahrhundert ist nicht weiter überraschend. Nur an sehr wenigen Stellen des ersten Bezirks wurde bis jetzt Fundmaterial aus früh-hochmittelalterlicher Zeit ausgegraben. Womit wir aber rechneten, war ein doch auffallender Anteil an Geschirr des 12. Jahrhunderts, bzw. sogar aus der 1. Hälfte desselben. Fündig wurden wir allerdings nicht. Neben schönen Funden aus der Zeit römischer Besiedlung war es vor allem Keramik aus dem 14./15. Jh., auf die wir in großen Mengen stießen. Neben einfacher Küchenkeramik fanden sich hier auch figurale Objekte, über deren genaue Funktion man nur mutmaßen kann. – Siehe Fund im Focus