Autorin: Christine Ranseder
Die Besiedlungsgeschichte des heutigen Wiener Stadtgebiets beginnt in der Jungsteinzeit (Neolithikum, 5600/5500 bis um 4000 v. Chr.). Verloren gegangene Steinbeile und andere Funde belegen, dass Menschen damals auch diesen Abschnitt der abwechslungsreichen Landschaft an der Donau durchstreiften. Zumindest einigen von ihnen scheint es hier gefallen zu haben, denn sie blieben.
Wie lebten die Menschen in unseren Breiten damals? Was kennzeichnet diesen von ArchäologInnen als Neolithikum bezeichneten Zeitabschnitt? In jedem Blog dieser Serie soll ein kurzer Überblick über die jeweilige Zeitstufe als Orientierungshilfe dienen. Dabei wird Ihnen sicher auffallen: ArchäologInnen benennen von ihnen definierte „Kulturen“/Gruppen gerne nach Besonderheiten der Keramik oder Fundorten. Im Anschluss an die kurze Einführung werden einige wichtige Wiener Fundorte herausgegriffen und vorgestellt.
Landnahme
Im Neolithikum kam es zu einschneidenden Veränderungen in Lebensweise, Gesellschaft und Kultur. Die Menschen begannen Landwirtschaft zu betreiben und Dörfer anzulegen – sie wurden sesshaft. Die Wurzeln von Ackerbau und Viehzucht lagen im Vorderen Orient. Hier wurden im 9. und 8. Jahrtausend v. Chr. erstmals Getreide angebaut und Tiere gezüchtet. Das neue Wissen verbreitete sich langsam mit den nach geeignetem Land suchenden Bauern. Im 6. Jahrtausend v. Chr. erfolgte auch im Donauraum der Übergang zur neuen, produzierenden Wirtschaftsform.
Bevor die ersten Siedler ihre langgestreckten Häuser errichten konnten, musste das Gebiet urbar gemacht werden. Die Bäume des dichten Waldes des Donauraumes wurden mit Beilen und Äxten aus Stein gefällt. Sie machten den Feldern der ersten bäuerlichen Kultur Mitteleuropas Platz, die wegen der eingeritzten Verzierungen der Keramik den Namen Linearbandkeramische Kultur erhielt.
Im Lauf des Neolithikums verdichtete sich die Anzahl der Siedlungsstellen auch in den Becken- und Tallandschaften des ostösterreichischen Raums, vor allem wegen der fruchtbaren Böden, des leichten Zugangs zu Wasser und des günstigen Klimas. Es handelte sich dabei um offene, bevorzugt auf Niederterrassen oder am Talboden angelegte Siedlungen. Die Häuser waren zunächst große, langrechteckige Pfostenbauten, die zum Wohnen und als Speicher dienten. Im Freien lagen Feuerstellen, Kuppelöfen zum Brotbacken und Brennen von Keramik, Brunnen und später auch Vorratsgruben.
Im Mittelneolithikum (5. Jahrtausend) entstand die Bemaltkeramische Kultur. Gefäße wurden nun mit komplexen Mustern bemalt, zuerst in den Farben gelb-schwarz-rot, später weiß-rot. Kleine Dörfer gruppierten sich in dieser Zeit um größere, mit einem Graben befestigte Siedlungen. Die zweiräumigen Langhäuser hatten ein Satteldach und mit Lehm beworfenen Wände, die oft bunt bemalt waren. Neben ihnen standen kleine, gelegentlich in den Boden eingetiefte Hütten.
Im Neolithikum gab es keinen einheitlichen Grab- und Bestattungskult.
Eine begehrte Lage – oder vielleicht doch nicht?
Wie viele neolithische Siedlungen über die Jahrhunderte in Bereich des heutigen Stadtgebiets angelegt wurden und wie groß diese waren, wissen wir leider nicht. Archäologische Nachweise sind eher spärlich. Umso größer ist die Freude darüber, dass 2014/15 im Zuge der Ausgrabung in der Rasumofskygasse 29–31 auch die Reste eines frühneolithischen Langhauses zu Tage kamen. Sichtbar waren zwei parallele Wandgräbchen und drei Reihen von Pfostengruben. Hinzu kamen einige Gruben, die außerhalb des Langhauses lagen. Die Funde – Bruchstücke von Gefäßen und Silices – können in die jüngere Stufe der Linearbandkeramischen Kultur gestellt werden. Mehr über die Grabung können Sie hier lesen.
Eine weitere wichtige Fundstelle auf Wiener Boden ist das mittelneolithische Radiolaritbergwerk auf der Antonshöhe in Wien-Mauer, Wien 23. Es ist das älteste – und einzige – Bergwerk in Österreich, in dem mit tiefen Schächten und untertägigen horizontalen Vortrieben Hornstein abgebaut wurde. Radiolarit war als Rohmaterial begehrt, weil er beim Zerschlagen messerscharfe Kanten bildet und sich daher hervorragend für die Herstellung von Geräten (Klingen, Spitzen, Kratzer) eignete. Die ausgebeuteten Abbauschächte auf der Antonshöhe waren noch im Neolithikum mit Abraum verfüllt worden. Die archäologische Untersuchung dieser Fundstelle liegt schon lange zurück: In den Jahren 1929 und 1930 stellte Josef Bayer (der damalige Leiter der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien) den Abbau des Radiolarits in engen, zwei bis acht Meter tiefen Schächten und untertägigen Strecken fest. Aus den wiederverfüllten Schächten konnte Werkzeug – Klopfsteine, Geweihhacken, Hammeräxte und Querbeile – geborgen werden. Auch Bestattungen (drei Frauen, zwei Männer, zwei Kinder) mit Gefäßbeigaben kamen zutage. Die Funde datieren den Bergbau in die jüngere Stufe der Bemaltkeramischen Kultur.