Autorin: Christine Ranseder
Im 8. Jahrhundert v. Chr. entstand – basierend auf urnenfelderzeitlichen Grundlagen – die Hallstattkultur (Ältere Eisenzeit, 800/750 bis 500/400 v. Chr.). Sie erstreckte sich fast über das gesamte Mitteleuropa und wurde durch die Kontakte mit der griechischen und der etruskischen Kultur sowie zu den östlichen Steppenkulturen geprägt. Aus archäologischer Sicht lassen sich mehrere Kulturkreise und -gruppen unterscheiden, in denen die Anregungen aus dem Mittelmeerraum in unterschiedlicher Intensität aufgegriffen wurden. Archäologisch sind diese Beziehungen am besten an den Hinterlassenschaften der gesellschaftlichen Elite zu fassen, zu deren Statussymbolen – neben Importen – aufwendig verziertes Trinkgeschirr, Schutzwaffen, vierrädrige Wagen und Pferde als Reittiere zählten.
Im Westhallstattkreis sind die Auswirkungen der Beziehungen zu den Stadtkulturen des Südens besonders auffällig. Im 6. Jahrhundert v. Chr. kamen einerseits Dank des intensiven Handels mit den griechischen Kolonien an der ligurischen Küste mediterrane Lebensmittel und Luxusgüter in den Besitz der Oberschicht. Andererseits befriedigte diese ihr Repräsentationsbedürfnis durch die Nachahmung südlicher Bauweisen und Gepflogenheiten. So war z. B. die als „Fürstensitz“ angesehene Heuneburg, eine Höhensiedlung in Baden-Württemberg, mit einer Mauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln befestigt. Auch ein monumentales Stadttor konnte nachgewiesen werden. Zahlreiche mächtige Grabhügel in der Umgebung dienten als letzte Ruhestätte der mit prunkvollen Beigaben begrabenen Angehörigen der Oberschicht.
Die Bevölkerung der südostalpinen und inneralpinen Gruppe des jenseits von Enns, Ybbs und Inns liegenden Osthallstattkreises profitierte von den Eisen- bzw. Salzlagerstätten und pflegte Kontakte zu ihren südlichen Nachbarn und den Etruskern. Im 7. Jahrhundert entstand hier und in Oberitalien ein eigener Kunststil, die sogenannte Situlenkunst. Es handelt sich dabei um Darstellungen von Szenen aus dem höfischen Leben und der Mythologie, die vor allem auf Gefäßen aus Bronzeblech aber auch auf anderen Gegenständen zu finden sind.
In der nordostalpinen Gruppe des Osthallstattkreises fehlten zumindest auf ostösterreichischem Gebiet bedeutende Rohstoffvorkommen. Aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Anreize für den Fernhandel und der abgelegenen Lage dürfte hier der direkte Einfluss der griechischen und etruskischen Kultur gering gewesen sein. Die Oberschicht wusste sich dennoch in Szene zu setzen. Auch im Osthallstattkreis dienten bewehrte Höhensiedlungen zur Befriedigung von Repräsentations- und Schutzbedürfnis. Die Befestigung erfolgte jedoch mit Graben und Wall in konventioneller Holz-Erde-Bauweise. Natürlich gab es auch Flachlandsiedlungen.
Typisch für den Osthallstattkreis ist die fantasievoll gestaltete Keramik. Die schönsten Funde, darunter Gefäße mit Stierköpfen, stammen natürlich aus Gräbern. Selbst das – andernorts aus Metall gefertigte – Trinkgeschirr wurde aus Ton geformt. Das gemeinsame Trinken spielte also auch hier im gesellschaftlichen Leben eine bedeutende Rolle. Sowohl in Siedlungen als auch in Gräberfeldern ist die nach einer Fundstelle bei Mödling benannte Kalenderbergware zu finden. Sie ist leicht an den Mustern aus aufgelegten, gekerbten Tonleisten zu erkennen.
Im – kulturell zur nordostalpinen Gruppe des Osthallstattkreises zählenden – Wiener Raum bestand eine Höhensiedlung am Leopoldsberg (Wien 19). Auf dem ausgedehnten Areal konnten für die ältere Eisenzeit mehrere Besiedlungsschwerpunkte nachgewiesen werden. Kellerartige Grubenkomplexe und Terrassenbauten mit Herdplatten belegen das Vorhandensein von Häusern und Hütten.
Im Flachland sind sowohl nördlich als auch südlich der Donau Siedlungen nachgewiesen.
Leben in einer Siedlung der älteren Eisenzeit
Reste eines solchen Dorfes konnten an der Fontanastraße 10 (Wien 10), ausgegraben und danach wissenschaftlich ausgewertet werden. Heute befindet sich an dieser Stelle die Senioren Residenz Am Kurpark Oberlaa. Von den prähistorischen Gebäuden waren nur die in den Boden eingetieften viereckigen Grundrisse erhalten geblieben. Ob sie einst zu Wohnhäusern oder Wirtschaftsbauten aus Holz gehört hatten, ließ sich nicht mehr feststellen. Es gibt keinen Hinweis auf einen Brand, die Gebäude wurden offensichtlich ungefähr zur gleichen Zeit geräumt und aufgegeben. Sie verfielen und dienten – genauso wie kleine Lehmentnahmegruben in ihrer Nähe – als „Mülldeponie“. Daher verwundert es nicht, dass bei der Ausgrabung kein einziges vollständig erhaltenes Gefäß gefunden wurde. Die ArchäologInnen bargen jedoch kiloweise Scherben und Tierknochen. Was sagen diese Funde über den Alltag der Menschen, die hier vor rund 2600 Jahren lebten? Die Bewohner der Siedlung waren Selbstversorger, sie betrieben Ackerbau und Viehzucht. Die Knochenfunde zeigen, dass vor allem Schafe, aber auch Rinder, Schweine und Ziegen gehalten wurden. Die Jagd spielte nur eine geringe Rolle, nachgewiesen sind Rothirsch, Feldhase und Birkhuhn. Die Liesing versorgte die Menschen mit Wasser, Flussmuscheln und Fischen.
Obwohl in der älteren Eisenzeit der Handel bereits gut entwickelt war, wurden die meisten Gegenstände im Dorf selbst hergestellt. Das trifft vor allem auf die Keramik zu. Im Fundmaterial überwiegen die Scherben von Schalen und Töpfen. Seltener sind prachtvolle Kegelhalsgefäße sowie feine Schüsseln und verzierte Schalen, die zum Trinkgeschirr zählten. Sie spiegeln den hohen Stellenwert wider, der den Trinksitten in der Hallstattkultur selbst im bäuerlichen Milieu beigemessen wurde.
Spinnwirtel und Bruchstücke von Webgewichten aus Ton weisen auf die Herstellung von Textilien hin. Dafür wurde Wolle oder Flachs mit Handspindeln zu Garn verarbeitet, aus dem auf einfachen Webstühlen Stoff gewebt wurde.
Geweih und Knochen verarbeitete man zu einfachen Werkzeugen. Metallgegenstände waren sehr wertvoll. Daher verwundert es kaum, dass in den aufgelassenen Hütten nur ein einziger Fund aus Bronze zurückblieb. Der zu einem Werkzeug umgearbeitete Nadelschaft eignet sich gut, um Keramik zu verzieren.
Das Dorf am Fuß des Laaer Berges lag weniger als einen Tagesmarsch von den in Vösendorf und Schwechat entdeckten Siedlungen entfernt – nah genug, um Kontakte zu den Nachbarn zu pflegen.