Autorin: Christine Ranseder
Zu feierlichen Anlässen gehören meist auch besondere Leckereien. Was wäre Weihnachten ohne Kekse, Geburtstage und Hochzeiten ohne Torte? Nicht nur der Geschmack, sondern auch das Aussehen von Festtagsspeisen soll Freude bringen und im Gedächtnis bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, gab und gibt es Hilfsmittel. Wir haben eines davon am Frankhplatz (Wien 9) gefunden.
Was auf den ersten Blick wie der Boden einer verzierten Schüsselkachel aussieht, gibt sich auf dem zweiten Blick als Fragment eines runden Models zu erkennen. Die Hohlform (Matrize) aus oxidierend gebrannter, an der Vorderseite gelblich grün glasierter Irdenware weist keinerlei nachträgliche Brandspuren oder gar Rückstände von Ruß auf. Wand und Rand des Models sind abgebrochen, von dem eingetieften Motiv blieben nur ein Flügel sowie Teile eines Fußes, des Schnabels und des Schwanzes erhalten. Ganz offensichtlich handelt es sich um einen Adler, genauer gesagt einen Doppeladler.
Die Ausführung des Adlerflügels − mager mit großen Schwungfedern und gewellter oberer Kante − erinnert an Darstellungen des Reichsadlers, vor allem im Siegel von Friedrich III. (1415−1493).
Machart und Aussehen der Glasur des Modelfragments weisen auf eine Datierung in das 14./15. Jahrhundert. Feine Kratzer in der Glasur können als Gebrauchsspuren gedeutet werden, unser Fund wurde offenbar regelmäßig gereinigt.
Marzipan oder Lebkuchen?
Im Spätmittelalter boten sich für die Kunst des Backens in Mitteleuropa neue Möglichkeiten. Grund dafür waren die Einfuhr von Mandeln für das begehrte Marzipan und von exotischen Gewürzen, die Lebkuchen ihren charakteristischen Geschmack verliehen.
Mit der geschmeidigen, plastischen Masse des Marzipans ließen sich selbst kleinste Details wiedergeben. Die Model für die kostbaren Marzipanküchlein bestanden daher zumeist aus feinem Pfeifenton, der es ermöglichte, künstlerisch hochwertige Darstellungen von biblischen und weltlichen Szenen zu vervielfältigen. Von dieser anspruchsvollen Ausführung ist das am Frankhplatz gefundene Modelbruchstück weit entfernt. Das stark vereinfachte Adlermotiv, die Größe des Models sowie das ursprüngliche Vorhandensein einer Randbegrenzung legen vielmehr die Verwendung zur Herstellung von Lebkuchen oder eines ähnlichen Feingebäcks nahe.
Den Angaben von Alfred Walcher-Molthein nach, ist in Wien bereits 1394 ein Lebzelter namens Ewerhart von Regensburg nachgewiesen, für die Zeit von 1413 bis 1453 nennt er Anna, die leczelterin, sowie Jacob Dürr und Andre Diener.
Vielleicht kontrollierten diese Hersteller von Leckereien ihre Produkte mit ebenso kritischem Blick wie der im Hausbuch der Landauerschen Zwölfbrüderstiftung verewigte, 1520 verstorbene „Lebküchner“ Hanns Buel.
In diesem Sinne: Lassen Sie sich Kekse und Lebkuchen schmecken!
Frohe Weihnachten!