25 Jahre Fundort Wien

Autorinnen: Lotte Dollhofer, Gertrud Mittermüller

Kolorierter Kupferstich (Ausschnitt) von Johann Andreas Ziegler, 1780, mit der Karlskirche rechts. (© Wien Museum)

Unglaublich, aber wahr: Die fünfundzwanzigste Ausgabe der Publikation „Fundort Wien“ ist soeben erschienen!! Passend zu diesem Jubiläum werden unter anderem die Ergebnisse der Grabungen vor dem Wien Museum vorgestellt.

Als das von Oswald Haerdtl errichtete „Historische Museum der Stadt Wien“ im Jahr 1959 am Karlsplatz eröffnet wurde, war zunächst auch die stadtarchäologische Forschung Wiens dort angesiedelt. Nach Jahren der räumlichen als auch organisatorischen Trennung ist die Stadtarchäologie Wien erst seit 2008 wieder Teil des heutigen Wien Museums, ihr Standort befindet sich seit Jahren beim Augarten.

Anlässlich des Umbaus und der Erweiterung des Wien Museums am Karlsplatz waren die Stadtarchäolog:innen ab dem Jahr 2019 aber wiederum vor Ort tätig: Erstmals wurde hier ein Grabungsprojekt durchgeführt. In diesem ehemals vorstädtischen Areal war der Wienfluss bis zu seiner endgültigen Regulierung und Einwölbung in den 1890er Jahren der alles bestimmende und zu bewältigende Faktor. Mit interdisziplinären Projektpartnern gelang es, die Entwicklung einer Flusslandschaft hin zum heutigen Platz nachzuzeichnen, dessen prägendstes Gebäude die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtete Karlskirche ist.

Schematisches Profil der Grabungen vor dem Wien Museum. Starke Niveauänderungen zwischen Wienfluss und Karlskirche spiegeln sich in der schon in einer Tiefe von ca. 5 Meter liegenden Straße aus der Zeit um 1700 (!) wider. (Plan: Stadtarchäologie Wien/Martin Mosser)
Straßenschotter des 18. Jahrhunderts mit regelmäßigen Furchen, vielleicht von Holzbohlen? (Foto: Stadtarchäologie Wien)
Rekonstruktion des Wienflusses im Bereich des Karlsplatzes 1755. Die Lage der Grabungsfläche ist gelb markiert. (© Severin Hohensinner)

Dieses Projekt bot zudem die Gelegenheit in der Zusammenarbeit mit einem Wiener Forschungsteam, das sich mit der Einflussnahme des Menschen auf seine Umwelt befasst und aufschlussreiche Erkenntnisse brachte: Bislang war die Dokumentation von mit Bauschutt und Abfall durchsetzten Planierungen allein wegen ihrer chronologischen Komponente von Bedeutung, doch die Untersuchungsergebnisse des Wiener „Anthropozän-Teams“ fordern zu einer erweiterten Sichtweise auf. Längst ist der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf unsere Umwelt geworden und so sollte uns allen nicht nur der Nachweis atomaren Niederschlags in Planierungen der Nachkriegszeit auf dem Karlsplatz zu denken geben.

Des Weiteren beschäftigen sich im vorliegenden Band gleich drei Artikel mit der Römerzeit: Equidenknochen aus der Siedlung in Wien-Unterlaa wurden bereits 2001 morphologisch bestimmt, eine genetische Analyse sollte nun die Unterscheidung zwischen Pferd oder Maultier (Hybrid) klären. Es zeigte sich, dass eine verlässliche Zuordnung ohne DNA-Analyse kaum möglich ist, aber die ursprüngliche Annahme, dass es sich in Unterlaa um eine lokale Zuchtstätte von Pferden gehandelt haben dürfte, hat sich erhärtet.

Skelettreste von Pferden in einer Verfüllung eines römischen Grubenhauses in Wien-Unterlaa. (Foto: Bertram Samonig)

Künettengrabungen im Bereich Graben/Tuchlauben lieferten neue Ergebnisse zur Befestigungsanlage des Legionslagers Vindobona. Der spektakuläre Fund von Bauteilen des südlichen Lagertors im vorgelagerten Grabensystem regt zu Diskussionen darüber an, wie lange die Lagerumwehrung bestanden hat und inwieweit einzelne Abschnitte noch im Mittelalter genutzt bzw. modifiziert wurden.

Schwemmschichtartige Ablagerungen im mittleren Legionslagergraben im Keller des Hauses Graben 20. (Foto: Stadtarchäologie Wien)
Architektur- und Bauteile der Porta decumana: Säulenbasis, Halb- oder Blendsäule und Verkleidungsquader. (Fotos: Mario Mosser)

Und einmal mehr wird das Augenmerk auf römische Keramik gelegt, diesmal auf die Funde einer seltenen Feinware, der Rätischen Ware mit figürlichem und vegetabilem Barbotinedekor.

Fragmente von zwei Rätischen Bechern mit figuralem und vegetabilem Barbotinedekor aus der Zivilsiedlung (Wien 3). (Fotos: Christine Ranseder)

Den chronologischen Abschluss des Artikelteils bildet frühneuzeitliches Tischgeschirr aus der Grabung Werdertorgasse in Wien 1. Obwohl ausschließlich als entsorgter Hausrat aus Planierungen geborgen, lassen die Fragmente Rückschlüsse auf die Tischkultur der Wiener in der Zeit der zweiten Hälfte des 16. und ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ziehen.

Fragmente von Malhornware („Stamperl“), von polychromer, applikenverzierter Irdenware und grün glasierter Irdenware aus der Grabung Wien 1, Werdertorgasse 6. (Grafik/Fotos: Christine Ranseder)

In die jüngere Vergangenheit führt uns ein Bericht zum Fund eines Depots von Druckschriften aus der Zeit des Ständestaates – eine kriminalistisch anmutende Rekonstruktion von wiederholten Verbergungs- und Auffindungsaktivitäten.

Dokumentationsarbeiten bei der Bergung von Druckschriften im Keller des Hauses Ledererhof 2 (Wien 1). (Foto: Constance Litschauer)

Last but not least ist auf die abschließende Fundchronik hinzuweisen, die die wichtigsten Ergebnisse der Grabungen der Stadtarchäologie Wien des Vorjahres präsentiert.

In diesem Sinne, auf die nächsten 25 Jahre „Fundort Wien“!!