Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Fragmente besonders repräsentativer Keramik, im Speziellen von Aquamanilen sind selten. Findet sich doch einmal eines, ist das Grund genug, es vorzustellen. Aus dem Material der Ausgrabung Hanuschgasse 3 stammt ein Fragment eines solchen Gefäßes für Handwaschungen, aber auch wenn die Verwendung des Stückes recht klar sein dürfte, ist die Gestalt ein wenig rätselhaft.
Mit der Fundnummer MV 92357/19 liegt ein oxidierend gebranntes, auf der Außenseite glasiertes Wandfragment vor, das als Teil eines Aquamaniles angesprochen werden kann. Das Stück wurde nicht auf einer Drehscheibe hergestellt. Die Außenseite ist nicht nur durch Glasur veredelt worden, man applizierte vor dem Glasieren auch noch kleine Tonklumpen, flachte sie ab und ritzte Striche darauf ein.
Aquamanilen − also Gießgefäße, die Wasser zur Reinigung der Hände enthielten − haben einen festen Platz im mittelalterlichen Tafelgeschehen, auch wenn sie ursprünglich aus dem liturgischen Bereich kamen und für die rituelle Handwaschung des Priesters dienten. Genau genommen handelt es sich dabei natürlich immer um ein Set aus Gießgefäß und Schüssel. Die zugehörige Schüssel, zumeist recht unauffällig geformt, hat leider eine Tendenz, im Material „unterzugehen“, während das aufwändig geformte Gießgefäß zumeist auch noch klein zerscherbt auffällt.
Aus Metall gefertigte Aquamanilen bereichern verschiedenste Schausammlungen und zeigen oft bizarre Fabeltiere, Geschöpfe aus mittelalterlichen Bestiarien. Beliebt sind Greif und Drache. Aber auch Interpretationen von realen Geschöpfen wie Adler, Löwe und Panther finden sich oft. Keramische Handwaschgefäße kommen in der Qualität ihrer Ausformung zumeist nicht an die metallenen Formen heran, was die Identifizierung des dargestellten Geschöpfes anhand eines meist kleinen Fragmentes naturgemäß nicht leichter macht.
Ein zu dem hier vorgestellten Exemplar sehr ähnliches Stück mit dem Fundort Wien 1, Haarhof aus dem 14. Jahrhundert − reduzierend gebrannt und unglasiert, aber vollständiger erhalten − wird als Löwenaquamanile angesprochen. Die applizierten Tonklumpen sollen vielleicht die Mähne, vermutlich aber recht flächendeckend das Fell darstellen.
Man könnte das neu entdeckte Fragment also ebenfalls als Löwenform ansprechen, ein Blick in verschiedene Bestiarien lässt aber auch eine andere Interpretation zu. Der Panther, ebenfalls sehr populär, wird generell mit sehr ähnlichen Punkten dargestellt. Während der Löwe zumeist mit glattem Fell abgebildet wird, charakterisiert durch die Mähne, nicht durch „Fellbüschel“.
Bei dem Aquamanilefragment aus der Hanuschgasse handelt es sich also mit Sicherheit um die Darstellung einer Raubkatze. Ob dabei ein Löwe oder ein Panther angestrebt wurde, bleibt allerdings schlussendlich der Fantasie des Betrachters überlassen.