Autorin: Christine Ranseder
Der dritte Blog in der Serie zur Urgeschichte auf Wiener Boden ist dem Spätneolithikum (Kupferzeit, um 4000 bis um 2200 v. Chr.) gewidmet. In dieser doch recht langen Zeitspanne begann der zivilisatorische Entwicklungsstand auseinanderzudriften. Man könnte fast von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten sprechen. Der Wiener Raum lag eher im Abseits, das bedeutete aber keinesfalls dass hier gar nichts los war.
Der große Aufschwung fand jedoch überall dort statt, wo Kupfer- oder Goldlagerstätten entdeckt wurden. Ihre Ausbeutung und die Verarbeitung des Rohmaterials erforderten besonderes Wissen und Organisationstalent. Darüber hinaus musste der Markt erschlossen werden. Jene Personen, welche den Zugang zu den Lagerstätten, den Bergbau und den Handel kontrollierten, gewannen an Macht. Im Transportwesen gab es durch die Erfindung des Rades und des vierrädrigen Karrens einen Fortschritt durch Technik, der den Handlungsspielraum der Menschen vergrößerte. Allerorts verlieh der Besitz von Objekten aus Metall – zunächst Schmuck, dann auch Werkzeug und Waffen aus Kupfer – Prestige. Es verwundert daher wenig, dass sich mit der Zeit die Gesellschaft veränderte.
Die ungleiche Verteilung der Ressourcen und eine gewisse Aufbruchstimmung schlägt sich auch in der Dingwelt wieder. Deren Gestaltung ist äußerst vielfältig, was wiederum ArchäologInnen dazu veranlasste, unzählige – oft auf ein recht kleines Gebiet beschränkte – Kulturen und Gruppen zu definieren. In Ostösterreich sind etliche davon fassbar, die jedoch nicht alle mit Fundstellen auf Wiener Stadtgebiet nachzuweisen sind.
Zu den Dörfern auf den landwirtschaftlich nutzbaren Böden der Ebenen gesellten sich nun Höhensiedlungen, die durch ihre Lage natürlichen Schutz genossen. Eine solche größere Siedlung des Spätneolithikums befand sich am Gemeindeberg (Wien 13). Die Fundstelle ist bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt und wurde seitdem dreimal archäologisch untersucht. Eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung fehlt allerdings bis heute. Der 320 m hohe, an drei Seiten steil abfallende Felskegel des Gemeindeberges ermöglichte dort, wo sich das Wiental verbreiterte, die Überwachung des Weges vom Wiener Becken nach Westen. Die Siedlung dürfte sich an den Nord- und Nordwestabhängen befunden haben. Es konnten nicht nur Gruben sondern auch Estrichböden und Reste des Wandbewurfs von rechteckigen Hütten mit 4–5 m Seitenlänge nachgewiesen werden. Zu den Funden zählten neben Keramik der Badener Kultur und Jevišovice-Kultur unter anderem Geräte aus Hornstein und Geweih.
Topographisch betrachtet scheint im Spätneolithikum auch das leicht zur Donau hin abfallende Gelände der sogenannten Stadtterrasse attraktiv für die Anlage von Siedlungen gewesen sein. Darauf weisen bei Grabungen am Rennweg und im Bereich der Csokorgasse aufgedeckte Gruben hin. Günstige Siedlungsplätze dürften immer wieder aufgesucht worden sein. So stammt aus der Csokorgasse sowohl eine große, annähernd ovale Grube mit Keramik aus der Frühphase der Badener Kultur als auch Grubenkomplexe mit Keramik der – bereits an das Ende der Kupferzeit zu stellenden – Glockenbecherkultur.
Eine weitere Grube, in deren Verfüllung Keramik der Glockenbecherkultur gefunden wurde, konnte am Rennweg 16 ausgegraben werden.
Jenseits der Donau lässt sich ein Siedlungsschwerpunkt in Aspern (Wien 22) nachweisen. Auch diese Fundstelle ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Zu den Altfunden zählen auch einige kupferzeitliche Gräber. Neue Erkenntnisse konnten in den letzten Jahren durch Ausgrabungen im Zuge der Errichtung der Seestadt gewonnen werden. Dabei wurden unter anderem auch Gruben, die in das Spätneolithikum datieren, dokumentiert. In deren Verfüllungen befanden sich Keramik, Werkzeug aus Geweih, Knochen und Stein sowie Speiseabfälle. Diese Reste einer Siedlung können dank der charakteristischen Keramik der Badener Kultur zugeordnet werden.