Autorin: Christine Ranseder
Manchmal finden ArchäologInnen auch, wonach Sie garantiert nicht suchen. Wiens Boden ist immer für eine Überraschung gut. Umso größer war die Freude jener, die sich für Keramik begeistern können, als bei der Sichtung des Fundmaterials aus der Werdertorgasse Bruchstücke von Maßwerkkacheln auftauchten. Gute Stuben mit schmucken Kachelöfen gab es also doch häufiger in Wien als ursprünglich gedacht.
Ein Fragment hat es uns besonders angetan, zeigt es doch eindeutig die einstige Form der Kachel. Im Jänner dieses Jahres konnte ich angesichts eines kleinen Bruchstücks einer Ofenkachel mit Maßwerk vom Judenplatz ja nur über mögliche Ganzformen philosophieren. Vielleicht erinnern Sie sich. Wenn nicht, hier können Sie den Beitrag nachlesen. Diesmal gibt es kein Wenn und Aber, es herrscht Gewissheit: Es handelt sich um eine dreieckige Kachel mit Maßwerk. Sie bekrönte wohl einst, zusammen mit anderen Exemplaren, einen mit plastischer Zier versehenen Kachelofen des Spätmittelalters. Dieser war zur Abwechslung in seiner Farbwirkung weder grau noch grün – das wurden vor Neid vielleicht nur die Nachbarn des Ofenbesitzers. Nahezu alle in der Werdertorgasse gefundenen Maßwerkkachelfragmente sind ockerfarben glasiert und weisen bestenfalls einzelne grüne Flecken auf.
Als Sonderform der Schüsselkachel hat unser etwa 10 cm tiefes dreieckiges Exemplar einen runden Boden, erst die ausschwingende Wandung formt sich zum Dreieck. Der Rand ist an der Innenseite mit einer kantigen Leiste verstärkt, die offenbar in die Gefäßwand eingesetzt wurde. In der Mitte jeder Seite der Kachel verdickt sich die Leiste zur dreidimensional geformten Maßwerk-„Zacke“. In seiner Machart entspricht das Maßwerk dem Fund von Judenplatz.
Handelt es sich vielleicht um ein Werk desselben Töpfers? In welchen Viertel stand das Haus der wohlhabenden Wiener, die sich zunächst einen repräsentativen Kachelofen leisten konnten und das aus der Mode geratene Stück später abrissen? Was verraten uns die Funde über die Abfallentsorgung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit? Sie sehen, ArchäologInnen gehen die Fragen nie aus.