Autorin: Christine Ranseder
Liebhaber von Kunststoff können sich glücklich preisen. Die Industrie des 21. Jahrhunderts ist dem Plastik verfallen. Vorbei sind die Zeiten als kleine Süßigkeiten in hübsches Papier gewickelt waren. Noch bedauerlicher ist die Verarmung der Materialvielfalt bei den Knöpfen. Werfen Sie einmal einen Blick auf die Verschlüsse an textiler Massenware. Da macht das Wühlen in der Knopfkiste nur noch Spaß, wenn sich Erbstücke von der Großmutter unter das Plastik-Einerlei mischen.
Dabei ergibt schon kurzes Nachdenken eine stattliche Liste an Materialien, die sich zur Knopfherstellung eignen und zum Teil auch heute noch für besondere Exemplare verwendet werden: Glas, Metall, Horn und Geweih, Holz – ohne und mit textiler Veredelung (Posamentenknöpfe), Porzellan, Leder, Steinnuss, Perlmutter, Kokosnussschalen … Doch wären Ihnen Knochen eingefallen?
Quetscht den letzten Tropfen aus ihnen heraus
Knochen waren früher ein wichtiger Rohstoff. Aus ihnen wurden nicht nur Fett, Leim und Tierkohle gewonnen sondern auch – vergleichsweise umweltschonend – zahlreiche Dinge hergestellt. Die Produktpalette reichte von Perlen über Paternosterringe bis eben zu Knöpfen. Für die Knopfproduktion eigneten sich vor allem Rinderknochen. Einem Bericht über eine Studienreise nach Frankreich aus dem Jahr 1845 ist zu entnehmen, dass diese zum Großteil von Küchen bezogen wurden. Es handelt sich bei der Knopfherstellung also um Abfall-Recycling. Bevor die Knochen verarbeitet werden konnten, wurden sie nochmals ausgekocht. Das dabei gewonnene Fett verkauften die Knopffabrikanten weiter. Auf das Auskochen erfolgte das Bleichen, sei es durch Rasenbleiche bei Sonne und Regen oder auf chemischem Wege.
In Wien zogen Abfallsammler durch die Stadt und erbettelten sich unter anderem Knochen, die „Banlstierer“ durchsuchten Müllhaufen und -deponien.
Von der Handarbeit zum standardisierten Industrieprodukt
Beinknöpfe wurden von Drechslern/Beindrehern gefertigt. Im 19. Jahrhundert erfasste die Industrialisierung auch diesen Handwerkszweig. Einen guten Überblick über die verschiedenen Drehstühle und Bohrer vermittelt wiederum der bereits erwähnte Reisebericht aus dem Jahr 1845. Abfall der Beinknopferzeugung kommt gelegentlich bei archäologischen Ausgrabungen zu Tage.
Beinknöpfe sind ein unscheinbares, aber dennoch gut durchdachtes Produkt. Ihre Oberseite ist zum Schutz des Fadens mit einer muldenförmigen Vertiefung versehen. Qualitätsmerkmale sind Annählöcher mit abgerundeten Rändern, die das Durchscheuern des Fadens verhinderten, und gewölbte Unterseiten, die das Zuknöpfen erleichterten.
Die Anzahl der Löcher variiert. Üblich waren Knöpfe mit vier oder fünf Löchern. Das bei der Befestigung des Knopfes in der Regel ignorierte Mittelloch entstand bereits beim Drehen der Vorder- und Rückseite, die eigentlichen Löcher zum Annähen wurden in einem eigenen Arbeitsschritt gebohrt. Platte Knochenscheibchen mit einem Loch wurden mit Stoff überzogen oder einem Faden umsponnen.
Auch Doppelknöpfe wurden aus Bein gedrechselt. Sie dienten meist als Verschluss von Hemden.
Die Unverwüstlichen
Beinknöpfe boten einige Vorteile.
• Sie sind kochfest, daher wurden sie gerne als Verschluss von Hemden und Unterwäsche – also Kleidungsstücken, die oft gewaschen wurden – verwendet.
• Weil sie nicht rosten, können Beinknöpfe den Stoff nicht verfärben. Sie kamen deshalb auch an (hellen) Hosen zum Einsatz.
• Beinknöpfe sind bruchfest. Aufgrund dessen eigneten sie sich z. B. hervorragend als Verschluss von Gamaschen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Montur vieler Infanterie-Soldaten gehörten.
• Und zu guter Letzt: Im Gegensatz zu Glasknöpfen splittern Beinknöpfe nicht.
Sogar die Lagerung im Boden lässt sie unberührt, sehr zur Freude der ArchäologInnen.