Die Gürteltasche mit zwei Schlaufen: ein Dauerbrenner

Autorin: Christine Ranseder

Als treuer Begleiter und unverzichtbares Behältnis für Dies und Das ist die mit zwei Schlaufen am Gürtel befestigte Ledertasche kaum zu übertreffen. Kein Wunder also, dass das Männern vorbehaltene Modell eine lange Laufzeit vom 14. bis ins 17. Jahrhundert aufwies. Auch im spätmittelalterlichen Wien wurden diese Gürteltaschen getragen, wie ein Fund aus der Werdertorgasse 6 (Wien 1) belegt.

Der Taschenmacher Eberhart Taschner steht in seiner Bude und arbeitet an einer Gürteltasche mit zwei Schlaufen. Hinter ihm hängen fertige Taschen und warten auf Käufer. (Die Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen, Amb. 317.2° fol. 38v [Mendel I], um 1425)
Die Außenseite des in der Werdertorgasse 6 (Wien 1) gefundenen Fragments einer Gürteltasche. Die Endknoten der Lederbändchen, mit deren Hilfe ursprünglich alle Lagen der Taschenkonstruktion zusammengefasst waren, sind am Übergang zur Schlaufe gut sichtbar. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Leider blieb das Exemplar nicht vollständig erhalten. Die rechteckige Grundform der Gürteltasche ist dennoch gut zu erkennen. Eine noch vorhandene Schlaufe zeigt an der Innenkante einen eleganten Schwung, ihr spiegelbildlich geschnittenes Gegenstück ist abgerissen. Gemeinsam mit dem Gürtelriemen bildeten die beiden Aufhängevorrichtungen einen ovalen Ausschnitt, der auch zur Aufnahme eines Dolches dienen konnte − eine im Alltag sicherlich praktische Tragweise. Zieht man in Betracht, dass Beutel gerne mit dem Scrotum assoziiert wurden, konnte die Kombination allerdings auch unfreiwillig komisch wirken, vor allem wenn es sich um einen Nierendolch (engl. „bollock dagger“, auch „ballock dagger“) handelte. Werfen Sie doch einen Blick auf das Kalenderblatt für Jänner im Stundenbuch des Duc de Berry. Aber ich schweife ab …

Die Innenseite des Taschenblatts und die Außenseite der erhaltenen Schlaufe. Das Taschenblatt und die Schlaufen sind aus einem Stück Leder geschnitten. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Die Löcher einer Stürznaht entlang von drei umgebogenen Kanten des Taschenblatts weisen darauf hin, dass die glatte Narbenseite des Leders an der Außenseite der Tasche lag. Wie viele Fächer die Gürteltasche einst hatte, lässt sich nicht mehr sagen. Erhalten blieben nur die schmalen Riemchen, die durch knapp unterhalb der Schlaufen liegende Löcher geführt, alle Lagen der Tasche zusammenfassten. Ihre Enden sind an der Außenseite des Taschenblatts säuberlich zu dicken Knoten geknüpft.

Reste der Schlaufe und der alle Lagen der Tasche zusammenfassenden horizontalen Naht. Vorder- und Rückansicht. (Fotos: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Gürteltaschen mit zwei Schlaufen wurden von Männern aller Gesellschaftsschichten getragen. Vermögen und Stand fanden in der Dekoration ihren Ausdruck. Aufgenähte Zierelemente aus Metall oder mit Mustern aufwändig geprägtes Leder machten die Taschen zum Statussymbol. Von all dem blieb am Wiener Fund keine Spur. Es handelte sich um ein bescheidenes Exemplar, das seinen Geist aufgab und den Weg mit anderem Abfall in die Verfüllschichten hinter der spätmittelalterlichen Uferbefestigung fand.