Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Da soll noch einmal jemand sagen, dass Archäologen nicht am Pulsschlag des täglichen Lebens arbeiten! Gut, ich gebe zu, „unser“ tägliches Leben ist manchmal schon ein paar Jahrhunderte alt, aber dafür oft umso „alltäglicher“. Ein Beispiel gefällig?
Zuletzt war die Stadtarchäologie Wien im Bereich Frankhplatz/Frankgasse tätig. Genau genommen haben wir dort ohnehin den Finger am Puls des ganz profanen Wiener Innenlebens. Weniger hochtrabend gesagt: Die Künetten, die es dort zu betreuen galt, beschäftigen sich mit Leitungsverlegungen, also mit durchaus essentiellen Dingen. Aber einmal abgesehen vom infrastrukturellen hier-und-jetzt-Bezug, haben wir auch archäologisch deftig- bekömmliches zu bieten. Mit sehr viel Glück wurde ein Objekt angeschnitten, bei dem es sich vermutlich um eine Abfallgrube der spätmittelalterlichen Vorstadtverbauung handelte. Woher ich das so genau weiß, dem kleinen „Bildausschnitt“ zum Trotz? Der Erhaltungszustand von Keramik sagt auch einiges über den archäologischen Befund aus, aus dem sie stammt. Becher, die so gut erhalten sind, „wanderten“, als man sie im späten Mittelalter entsorgte, sicherlich nicht weit und sind offenbar auch seither nicht durch Bauarbeiten vertragen worden.
Entsorgt hat man im 15. Jahrhundert durchaus in Gruben, aber auch in Latrinen oder Brunnenschächten, die nicht mehr benötigt wurden. Etwas in dieser Art wurde also von unserer Künette „angefahren“, und spuckte daraufhin besagte Besäufnis-Behelfe aus. Gut, das eine oder andere Kochtopffragment ist auch dabei – man will ja immerhin eine solide Grundlage für etwaige alkoholische Ausrutscher haben. Spaß bei Seite – wir wissen nicht wirklich, was man aus diesen so genannten Mündelbechern getrunken hat. Bier wäre natürlich eine Möglichkeit, aber Wien war eher für seine Wein (Un-)Kultur bekannt. Vor allem gewässerter Wein ist ein vermutlich saurer Kandidat, wenn wir über die Befüllung spekulieren wollen.
Um die edelsten Behälter für Trinkfreuden handelte es sich bei Mündelbechern – von Archäologen so benannt auf Grund der interessanten „gemündelten“ Randform – ohnehin nicht. Edle Becher waren aus Metall oder Glas und finden sich im Gegensatz zu unseren irdenen Fundstücken vom Frankhplatz bildlich im 15. Jahrhundert verewigt.
Der Mündelbecher, in verschiedensten Größen und mit stark differierendem Fassungsraum erhältlich, dürfte also eher den alltäglichen Niederungen der Trinkkultur zuzuordnen sein.
Es stellt sich übrigens stark die Frage, ob es sich dabei wirklich um ein bequemes Behältnis für „anpatzfreien“ Weingenuß gehandelt haben mag. Vielleicht versuchen sie es ja einfach selbst einmal – mit einer Replik natürlich. Mit persönlichen Erfahrungen kann ich nicht aufwarten – ich trinke nur Tee, und der war sicher nicht in diesen Bechern.