Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Wir kennen es alle: Nicht mehr ganz Sommer aber auch noch nicht Herbst, warme sonnige Tage und kühle Nächte, bringen uns unaufhaltsam eine Wandlung im Spiel der Farben. Spiegelt sich so viel poetischer Jahreszeitenwechsel auch im Fundmaterial wieder? Lassen Sie sich überraschen!
Das Keramikmaterial, das derzeit über meinen Arbeitstisch defiliert, stammt aus verschiedensten Ausgrabungen, von der Dominikanerbastei, über den Karlsplatz bis zum Frankhplatz. Die Zeitstellungen, die vertreten sind, sind mannigfaltig und reichen von vereinzelten römischen Altstücken über ein wenig spätes Mittelalter bis hin zu sehr viel Früher Neuzeit, also dem 16./17. und 18. Jahrhundert.
Und siehe da: der Farbenreigen draußen, findet sich auch auf meinem Tisch wieder.
Da haben wir zum Beispiel sommerliche Blütenpracht in Form von in Malhorntechnik verzierten Tellern aus dem 17./18. Jahrhundert vom Frankhplatz und üppig spätsommerliches Waldesgrün auf einem Kachelfragment des 17. Jahrhunderts aus derselben Grabung sowie einem weiteren floral verzierten Kachelblatt aus der Fernkältegrabung Dominikanerbastei.
Auch die zarte blaue Dekoration auf einem kleinen Wandfragment vom Karlsplatz, vermutlich aus dem 19. Jahrhundert, erinnert noch ein wenig an den verblassenden Sommer.
Fröhliche Gelb- und Grüntöne waren im 16./17. Jahrhundert auch an Kochgeschirr gerne gesehen. Die Glasur diente in erster Linie natürlich dazu, den Topf dicht und „hygienischer“ – also leichter abwaschbar zu machen. Den Umstand, dass sich das Blei, das als Flussmittel für die satten Farben benutzt wurde, sicher auch im Gekochten wiederfand, überging man elegant. Aber seien wir ehrlich: auch im Herbst 2020 fragt nicht jeder immer ganz genau nach, was sich auf und in seinem Teller so alles analysetechnisch finden lassen würde.
Nun, es ging auch weniger protzig und ganz ohne bleiverbrämte Oberfläche, wie Funde in rötlichen Naturtönen von der Dominikanerbastei zeigen. Hier kam das gleiche Formenspektrum an Töpfen und Krügen zu Tage, wie man es im (15./)16. Jahrhundert sonst eigentlich immer glasiert findet, allerdings war es hier bar jeder Glasur.
Warum diese karge Nacktheit? War es bewusster Verzicht des Käufers auf Farbentfaltung, oder war die durchschnittliche Kundschaft einfach zu wenig zahlungskräftig, um die glasierte Ware erster Wahl zu erstehen?
Vielleicht war es auch eine modische Eigenheit des Töpfers, kein Sommer- oder Herbst-Mensch, sondern ein Verehrer des beginnenden Winters? Auch ganz karges Geschirr, das an winterlich brache Ackerscholle und die kommenden düsteren Tage von November bis Jänner gemahnt, kann ich bieten.
Reduzierend gebrannte Irdenware des 15./16. Jahhundert mag durch und durch praktisch sein, und ihre pure Funktionalität hat gewiss auch ihre ästhetischen Aspekte, aber ganz generell, wird dieses Grau in Grau doch als etwas trist empfunden – zumindest von Menschen, deren spezielle Leidenschaft nicht die Keramikbearbeitung ist.