Autorin: Christine Ranseder
… Pech in der Liebe? Wir werden es nie wissen. Zurück blieben nur einige Kerzenleuchter mit Spielkartensymbolen. Sie wurden einst im Keller eines Hauses in der Lindengasse entsorgt und von der Stadtarchäologie Wien im Zuge einer Baubegleitung wieder ans Tageslicht befördert.
Der Keller, von dem nur ein kleines Stück unter der Straße vor dem heutigen Haus Lindengasse 25 erfasst werden konnte, gehörte zu einem um die Mitte des 18. Jahrhunderts errichteten Gebäude. Vermutlich beim Bau des bestehenden Hauses 1897 wurde er mit Schutt verfüllt, in dem sich neben Ziegelbruch auch Fragmente von Keramik und Glas befanden. Offenbar gefielen auch die ein wenig klobigen Kerzenleuchter, deren einzige Zier die Symbole Herz, Karo, Kreuz und Pik sind, nicht mehr. Einer davon wäre als Tischdekoration in einem Privathaushalt ja noch recht lustig, aber gleich 13 Stück? Waren sie gar als thematisch passender Dekor eines Spielsalons gedacht, damit Kund:innen im stilvollen Ambiente zocken konnten? Sicher ist nur, dass sich an dieser Adresse bis in die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts auch eine Geschirrhandlung befand.
Die massiv wirkenden Kerzenleuchter bestehen aus Porzellan. Sie sind hohl gearbeitet, aber – dank des dachartigen Fußes – dennoch standfest. Die mit roter und schwarzer Farbe gemalten Spielkartensymbole am würfelförmigen Körper sind mit den Fingern auch als flaches Relief spürbar.
Alle Kerzenhalter tragen an der Unterseite ihrer quadratischen, 8 x 8 cm messenden Basis die eingepresste Marke „CARLSBAD“. Sie können somit als Produkte der 1848 von Carl Knoll in Fischern (Rybářy) bei Karlsbad gegründeten Porzellanfabrik identifiziert werden. Es handelt sich bei dem Blindstempel um die ursprüngliche Signierung, die laut Emanuel Poche[1] von 1848 bis 1868, dem Todesjahr von Carl Knoll, Verwendung fand.
Die Produktpalette der Fabrik war breit gefächert, ein Schwerpunkt lag allerdings auf Tischgeschirr, darunter auch Kaffee- und Teeservice sowie Hotelporzellan. Im Fundmaterial aus der Lindengasse konnten dank der Marke noch zwei tulpenförmige Kerzenleuchter mit dachförmigem Standfuß eindeutig der Porzellanfabrik von Carl Knoll zugeordnet werden.
Spielkarten: vom Symbol für das Laster zum Dekor
Die Lust am Kartenspiel zieht die Menschen seit dem Mittelalter in ihren Bann. Fortschritte in der Papierherstellung und der Drucktechnik ermöglichten es, einen beachtlichen Absatzmarkt zu bedienen. Die Spielkarten selbst wurden zum Bildträger von ungeheurer Vielfalt. Das Vergnügen rief − unter dem Vorwand der Gefahr von Spielsucht und Spielschulden − bald die Obrigkeit mit Verboten und Regulierungen auf den Plan. Diese hatten selbstredend in erster Linie die unteren Gesellschaftsschichten im Visier. Der Adel hingegen konnte sich weitgehend unbehelligt den diversen Kartenspielen hingeben, sie gehörten zur gesellschaftlichen Konvention und damit quasi zum Bildungskanon.
In der Kunst unterstrichen zunächst die Darstellungen von − in wenig günstigem Licht gezeigten − Kartenspielern, denen Faulheit unterstellt wurde, die Lasterhaftigkeit des Spiels. Nicht nur in der Genre-, sondern auch in der Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts waren Spielkarten ein Symbol des Lasters, der Sünde und des Müßigganges. In den folgenden Jahrhunderten nahmen Karikaturisten auch Bürgertum und Adel aufs Korn. Findige Produzenten sahen in diesen Gesellschaftsschichten bald den Absatzmarkt für thematische Accessoires. Von ihren moralisierenden Nebenbedeutungen befreit, begannen Spielkarten und ihre Symbole Herz, Karo, Kreuz und Pik nicht nur Spielpläne und Pochbretter für „Jeu du boc“, einem Vorläufer des Poker-Spiels, Spieltische, Jetons und Behältnisse zu ihrer Aufbewahrung zu zieren. Auch als Dekor von Bierkrügen und Tassen, wie zum Beispiel ein 1806 datiertes Exemplar mit zugehöriger Untertasse der Wiener Porzellanmanufaktur, machten sich Spielkarten und ihre Symbole gut. Schließlich musste während des Spiels auch für das leibliche Wohl gesorgt werden. Nicht jeder ging allerdings gleich so weit, wie John Montagu (1718−1792), 4th Earl of Sandwich, dem wir das nach ihm benannte lappige Brötchen verdanken, weil er den Spieltisch nicht verlassen wollte.
In der Sammlung des Museums für angewandte Kunst, Wien, findet sich sogar der Einband eines Notizbüchleins mit gestickter Spielkartenzier. Durch die seitlich angebrachten Laschen konnte ein Stift geführt werden, der zugleich das Büchlein verschloss. Diente es gar zum Aufzeichnen von Spielschulden? Vielleicht im Licht von Kerzenleuchtern, wie den in der Lindengasse gefundenen?
[1] Emanuel Poche, Porzellanmarken, Prag 2006 (17. Auflage), Nr. 569.