Die Natur im Haus

Autorin: Christine Ranseder

Pflanzen in Blumentöpfen ins Haus zu holen − sei es wegen ihres Wohlgeruchs oder aus ästhetischen, kulinarischen bzw. medizinischen Gründen, hat eine lange Tradition. Im archäologischen Fundmaterial aus Wien sind Blumentöpfe dennoch recht selten. Die wenigen gut erhaltenen Exemplare stammen zumeist vom Areal ehemaliger neuzeitlicher Friedhöfe. Vereinzelt sind auch winzige Bruchstücke von verzierten Pflanzgefäßen bekannt geworden, aber über Form und Dekor lässt sich in diesen Fällen meist nicht einmal spekulieren. Umso größer war unsere Freude, als am Bauernmarkt 1, Wien 1, gleich mehrere gut erhaltene Blumentöpfe mit weißer Bemalung zu Tage kamen.

Blumentöpfe unterschiedlicher Form mit weißer Kaltbemalung vom Bauernmarkt 1, Wien 1. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Es handelt sich um scheibengedrehte, oxidierend gebrannte, unglasierte, konische Blumentöpfe mit profiliertem, aufgestelltem Rand. Zwei unterschiedliche Formen bereichern das bereits aus Wien bekannte neuzeitliche Spektrum.
Die kleinere, etwa 14,5 cm hohe Variante hat einen Randdurchmesser von 19 bis 21 cm. Gleich zwei der für Blumentöpfe typischen Löcher im Boden verhinderten Staunässe.

Unverkennbar ein Blumentopf: An einem der kleineren Exemplare blieb der gelochte Boden vollständig erhalten. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Ein größeres Fassungsvermögen hatte ein Blumentopf mit zwei Henkeln. Wie seine kleineren Artgenossen trägt auch dieses Prachtstück einen Dekor in weißer Kaltmalerei: Aus der Basis von schwungvollen Schnörkeln sprießen Tulpen, während der Rand mit schrägen Streifen verziert ist.

Der mit rund 25 cm Durchmesser größte Blumentopf besitzt zwei Henkel, denn mit Erde und Pflanzen gefüllt war er sicher recht schwer. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
Der doppelhenkelige Blumentopf gibt sich dank der charakteristischen 4er-Marke als Produkt einer in Obernzell, Deutschland, ansässigen Töpferei zu erkennen. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Lässt das Motiv der Tulpe womöglich auf den Inhalt der Blumentöpfe schließen? Da die Funde in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts gestellt werden können, wäre das gut möglich. Aber nicht nur saisonale Blumen wurden in Töpfen vorgezogen, auch empfindliche, das ganze Jahr über mit Duft und vielleicht sogar Früchten erfreuende Pflanzen, wie Zitrusgewächse, ließen sich in ihnen hochpäppeln.

Henri Horace Roland de la Porte, Das Orangenbäumchen, um 1763. (Kunsthalle Karlsruhe)

Die Begeisterung für die Dekoration der Wohnräume mit lebendem Blumenschmuck wuchs in den bürgerlichen Gesellschaftsschichten ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, um im 19. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt zu erreichen. Der englische Gartendesigner und Schriftsteller Batty Langley (1696–1751) listet bereits in seinem 1728 erschienenen Buch „New Principles of Gardening“ für jeden Monat passende Pflanzen, darunter die heiß begehrte Hyazinthe, Tulpe, Krokus, Narzisse, Nelke, aber auch aus heutiger Sicht als Zimmerpflanze Ungewöhnliches, wie die Kaiserkrone. Er empfahl übrigens auch die Verwendung von Übertöpfen. Diese waren bei den verzierten Blumentöpfen vom Bauernmarkt natürlich nicht notwendig. Hingegen bedurften die kleineren Exemplare bei einem Standplatz am Fensterbrett vermutlich Untersetzer. Die attraktiven Pflanzgefäße könnten aber auch im Innenhof gestanden oder die − für Häuser in Wiens 1. Bezirk typischen − Pawlatschen geschmückt haben.