Autorin: Christine Ranseder
Wir durchleben derzeit zwar eine Hitzewelle, doch der nächste Winter kommt bestimmt. Zur gedanklichen Abkühlung lassen Sie uns einen Blick auf einen Fäustling aus Leder werfen, der in der Werdertorgasse 6 gefunden wurde. Auf historischen Darstellungen von Winterlandschaften ist diese Handbekleidung zumeist im Zusammenhang mit dem Freizeitvergnügen des Schlittschuhlaufens zu entdecken.
Manchmal lässt sich auf den Bildern sogar unterscheiden, ob es sich um Fäustlinge aus Glattleder oder Pelz handelt. Bei unserem Fund dürfte es sich um ersteres gehandelt haben, denn von Haaren fehlt auf der Narbenseite des Leders jede Spur. Der Fäustling wurde in einem Stück zugeschnitten. Zunächst dürfte der Daumen angenäht worden sein, danach faltete man Narbenseite auf Narbenseite und nähte die Form entlang der Kante zusammen. Zuletzt wurde der Fäustling gewendet. Da durch die Bodenlagerung sämtliches Nähgut vergangen ist, blieb nur der Ansatz des Daumens erhalten, das angesetzte Daumenstück löste sich und ging verloren. Löcher und am Leder sichtbare Stiche zeigen, dass sich der Bund ursprünglich mit einem Riemen zusammenziehen ließ, damit weder Schnee noch Kälte in das Innere des Fäustlings gelangen konnten. Zimperlich ging der Träger (auf den bildlichen Darstellungen werden Lederhandschuhe in der Regel von Männern getragen) mit der wärmenden Handbekleidung nicht um, wie eine Reparatur beweist: Ein kleiner Riss wurde mit einem Stück Leder hinterlegt und geflickt.
Vergleichbare Funde von Fäustlingen sind vereinzelt aus Nordeuropa bekannt geworden. Von einem in London, Großbritannien, gefundenen Fäustling aus dem 16. Jahrhundert wird angenommen, dass er als Handschutz im Rahmen der Ausübung eines Gewerbes diente. Ein weiteres Exemplar stammt aus einer spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen Abwassergrube in Pilsen (Plzeň, Tschechien).
Bildquellen legen nahe, dass Fäustlinge, wie unser Fund aus der Werdertorgasse 6, überwiegend von Angehörigen der ärmeren Bevölkerungsschichten getragen wurden. Die aufwändig zu nähenden Handschuhe waren der Oberschicht vorbehalten.
Pieter Bruegel der Ältere (um 1525–1569) stattete auf seinem Gemälde „Jäger im Schnee“ aus dem Jahr 1565 den im Vordergrund zu sehenden Treiber/Diener mit Fellfäustlingen aus. Auf einer anderen Darstellung einer Winterlandschaft, der „Volkszählung zu Bethlehem“ (1566), desselben Malers liegt ein Paar Fäustlinge neben einem Mann, der sich gerade Schlittschuhe anschnallt. Vielleicht handelt es sich um eine Anspielung auf das Sprichwort “He puts at his feet what he holds in his hands”, das sich auf einen Menschen bezog, der eine sichere Sache für eine unsichere aufgibt.
Hat sich gar ein Bewohner Wiens im Winter vor dem Werdertor auf dünnes Eis begeben?