Autorin: Christine Ranseder
Ja, er ist es! Sie ahnen es sicher schon, in diesem Blogbeitrag geht es wieder einmal um Kacheln. Das Fundmaterial ist nicht mehr ganz frisch, doch leider sind die Möglichkeiten im Homeoffice eingeschränkt, sprich: Ich muss tief in das Schatzkästchen bereits digitalisierter Objekte greifen. Unter diesen erweisen sich die Kachelfunde aus dem Haus Judenplatz 8 immer wieder als ergiebiger Augenschmaus.
Eine tiefgreifende Analyse der bisher in ihrer Gesamtheit nicht vorgelegten Funde wird so bald nicht möglich sein, denn auch die Bibliotheken sind wegen des Lockdowns seit gut einem Jahr geschlossen. Erfreuen wir uns also stattdessen an einem kleinen Suchspiel zur Feier des Variantenreichtums im Dekor von Kachelöfen.
Der Datierungsrahmen ist rasch gesteckt: Es handelt sich durchwegs um Kacheln aus dem 17. Jahrhundert. Sämtliche ausgewählten Exemplare zeigen den Doppeladler, die Feinheiten liegen im Detail.
Zur langen Tradition des Doppeladlers als Motiv braucht hier nicht näher eingegangen werden. Die wichtigsten Eckdaten habe ich bereits in einem Artikel zu Kachelfunden aus der Hernalser Hauptstraße 59−63 zusammengefasst. Wissenswertes zu seiner Verwendung, unter anderem auf Kacheln, kann in einem Artikel über Kachelfunde aus Grein von Karl Hohensinner und Alice Kaltenberger nachgelesen werden.
Variante 1: Der Machtbewusste – Reichsinsignien und Lockenpracht
Subtilität zählt nicht zu den Stärken dieser Darstellung, die Anspielungen auf den universalen Herrschaftsanspruch des Kaisers sind schwer zu übersehen. Der Doppeladler hat sich Szepter und Schwert unter die Flügel geklemmt, ein krallenbewehrter Fuß hält den Reichsapfel, der andere einen Olivenzweig. Die Ausgestaltung von Szepter und Schwert entsprechen jener der Fassung des von Leopold I. im Jahr 1687 angekauften Hyazinth „La Bella“, jedoch ohne die Wappen Ungarns und Böhmens. Der Olivenzweig als Friedenssymbol ist angesichts der zahlreichen Kriege während der Regierungszeit von Leopold I. Propaganda in Reinkultur. Und natürlich schwebt über all dem die Reichskrone, bei diesen Kacheln sogar im Strahlenkranz.
Auf der Brust des Doppeladlers prangt statt des österreichisch-burgundischen Wappens ein Medaillon mit dem Porträt Leopold I. (1640−1705). Er war ab 1658 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, somit kann dieses Jahr als terminus post quem für die Feindatierung der Kacheln herangezogen werden. Leopold I. trägt eine prächtige Allongeperücke. Sie unterstreicht als wichtiger Bestandteil der höfischen Mode den hohen Status ihres Trägers, denn langes Haar galt als Symbol für Macht und Kraft.
Am unteren Rand des Medaillons lugt aus den Federn des Adlers die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies hervor. Nicht nur das Widderfell (Vlies) ist deutlich sichtbar, sondern auch einige Kettenglieder in der Form von Feuereisen. Durchaus eine dezente Anbringung, aber – unter anderem – ein Hinweis auf die elitäre Stellung und gute Vernetzung der Habsburger.
Variante 2: Der Harmlose – Krönchen und Blumensträußchen
Der Doppeladler der zweiten Kachelvariante verzichtet auf dieses Brimborium. Er beschränkt sich auf den österreichisch-burgundischen Wappenschild und trägt Krönchen. In einer Charmeoffensive reicht er mit jedem Fuß einen Blumenstrauß. Der Wellenrahmen weist diese Kacheln in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Variante 3: Der Vergeistigte – Heiligenschein und Rollwerk
Stilistisch älter erscheint der Doppeladler mit Nimbus, zwischen dessen nach außen gewandten Köpfen die Mitrenkrone ruht. Von ihr gehen beiderseits flatternde, die Hälse des Doppeladlers hinterfangende Bänder ab. Ihre Dynamik wird von flankierendem Rollwerk im Zwickel zwischen Flügel und Bein aufgenommen. Ganz traditionell schmückt das österreichisch-burgundischen Wappen die stolze Brust.