Von Schönheiten und Kochtöpfen

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Schönheit soll ja generell im Auge des Betrachters liegen. Ganz deutlich wird das auch dann, wenn man sich mit Archäologen unterhält, die auf die Bearbeitung von keramischem Fundmaterial spezialisiert sind. Da kann es schon vorkommen, dass auf den ersten Blick Unattraktives aus gebranntem Ton in den höchsten Tönen gepriesen und mit überschwänglicher Zuwendung bedacht wird. Oft genug ist dieses Übermaß an Interesse leicht kommunizierbar, vor allem dann, wenn das betreffende Stück etwas besser erhalten ist als üblicherweise. Die Begeisterung über Daumennagel große Scherben hält sich auch bei Archäologen gelegentlich in Grenzen. Dass „etwas mehr“ an Scherben durchaus erfreulich sein kann, zeigte sich sehr schön, bei einigen kleinen aber feinen Fundposten aus der Währingerstraße 25a, die bei einer kleinen Ausgrabung  gefunden wurden.

Gebrauchskeramik – nützlich und unattraktiv?

Gebrauchskeramik ist an sich ein ulkiger Terminus, über den man aber immer wieder stolpert, bzw. ihn selbst „benutzt“.  Es stellt sich natürlich sofort die Frage wie sich „Gebrauch“ definiert, und was dann eigentlich der Widerpart von „Gebrauchskeramik“ wäre. Genau genommen, würden sich am anderen Ende der Werteskala nur noch reine Zierobjekte mit Schauwert finden, deren Attraktivität und ihr dem Auge angenehmes Wesen auch schon ihre einzige Funktion darstellen. So besehen wären aber auch jede edle Tasse und jeder schöne Teller, den man für festliche Anlässe hervorholt, „Gebrauchskeramik“, denn auch diese Stücke werden – seltener aber doch – verwendet. In diesem Licht verliert der eher nützlich und grob wirkende Ausdruck etwas von seiner Plumpheit und man besinnt sich, dass Schönheit aus Keramik auch nicht nur zum bloßen ansehen gedacht gewesen ist.

Um diesen Spitzfindigkeiten zumindest vorerst zu entgehen, besehen wir uns zuerst die klassischen „Nützlinge“ aus dieser kleinen Ausgrabung. Dem Topf aus dem 18. Jahrhundert mit profiliertem Kragenrand merkt man anhand der dunklen Verfärbung seiner Oberfläche deutlich an, dass er zum Kochen verwendet wurde, und zwar ausgiebig. Auch die glasierte Innenseite zeigt die Spuren dieses Gebrauchs.

Ein Topf aus dem 18. Jahrhundert aus der Grabung Währingerstraße 25a.

Bedeutend besser erhalten sind Bruchstücke von Töpfen mit graphitierter Oberfläche aus dem 17./18. Jahrhundert. Zweckdienlich oder nicht – die schimmernde graphit-graue Oberfläche hat durchaus auch ästhetische Werte zu bieten. Die Reste einer weißen, kalkigen Auflage an der Innenseite und am Boden von zumindest einem dieser Töpfe, weist auf eine „Zweitverwendung“ zum Anrühren irgendeines Anstrichs hin. Vom Kochtopf zum Mahlerwerkzeug – das kam durchaus vor.

Ein Topf mit graphitierter Oberfläche aus dem 17./18. Jahrhundert aus der Grabung Währingerstraße 25a.
Gefäße mit Spuren von Farbe und Kalk aus der Grabung am Michalerplatz.

Ein schlichter Deckel wird zum persönlichen und personalisierten Rätselspiel, sobald man die zwei vor dem Brennvorgang in den Ton geritzten Buchstaben entdeckt: W und A oder V und M. Die Initialen des Töpfers? Gut möglich.

Ebenfalls sehr funktional und – man möchte fast sagen höchst spezialisiert – waren Nachttöpfe, mit ihren charakteristischen breiten Rändern. Die mit punktförmigen Dellen versehene Leiste unter dem Rand wird übrigens als „Verstärkungsdreieck“ bezeichnet. Nicht immer ist die Form ganz klar der Funktion zuzuordnen, aber es hat durchaus auch Nachttöpfe gegeben, die ohne diesen „Stützwinkel“ tragende Qualität hatten.

Bruchstück eines Nachttopfes aus der Grabung Währingerstraße 25a.
Die Schönen zu den Biestern

Und dann gibt es da noch die wirklich hübschen Stücke! Ursprünglich wurde Fayence als Kopie des ab dem 17. Jahrhundert zunehmend, aber mit Schwankungen und Importeinbrüchen, die nicht an der Nachfrage lagen, eingeführten Porzellans entwickelt. In unterschiedlichen Qualitäten, und mit einem reichen Schatz an Motivik versehen, handelt es sich zwar auch hier durchaus um praktisch verwendbare Objekte, der dekorative Aspekt ist hier aber mehr als deutlich vertreten. Und wenn Sie sich jetzt fragen sollten, was denn auf den in der Währingerstraße 25a gefundenen Stücken abgebildet ist, dann müssen Sie sich leider noch etwas gedulden. Wie Eingangs schon angedeutet – es gibt Archäologen, die in der Keramikbearbeitung mehr mit der Nützlichkeit der Dinge befasst sind, in meinem Fall wohl auch, weil ihnen der feinere Sinn für Muster und Schönheit etwas abgeht. Meine Kollegin Christine Ranseder wiederum, hat dieses Sensorium bestens ausgeprägt und geschult, und wird Ihnen demnächst die dekorativen Aspekte unsere Fayencefragmente und die schlichte Eleganz von blauer Bemalung auf weißer Oberfläche näherbringen.