Autorin: Heike Krause
Das stattliche Zinshaus Mölker Bastei 8 ist als Pasqualatihaus weithin bekannt. Der Komponist Ludwig van Beethoven (1770–1827) fand hier mehrmals zwischen 1804 und 1814 Quartier mit Fernsicht auf die Umgebung Wiens. Die Ringstraße und die sie begleitenden Bauten existierten seinerzeit freilich noch nicht. So bot sich ein weiter Blick über das Glacis bis zum nördlichen Wienerwald. Welches Panorama sich einem heute bietet, kann man selbst prüfen, denn die Beethoven-Wohnung kann besichtigt werden!
Namensgebend für das Haus war sein Erbauer Dr. Joseph Benedikt Pasqualati von Osterberg. Der Arzt hatte 1786 das an dieser Stelle gelegene sogenannte Marinonische Haus ersteigert und an seiner Stelle 1789 ein neues Gebäude errichten lassen, das 1791 durch Einbeziehung der Fläche eines kleinen Eckhauses erweitert wurde. Vom Haus des Astronomen und Hofmathematikers Johann Jakob Marinoni (1676–1755) ist nichts erhalten geblieben. Hier hielt der Ingenieur und Kartograph Leander Anguissola (1653–1720), dem das Gebäude zuvor gehörte, bis zu seinem Tod gemeinsam mit Marinoni die Militär-Ingenieur-Akademie ab. Marinoni errichtete an der West-Ecke des Grundstücks eine Sternwarte, die bald nach seinem Ableben abgebrochen wurde.
Letztes Jahr bot sich der Stadtarchäologie Wien die Gelegenheit, den Keller genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Hoffnung, in einem Winkel auf Weinflaschen aus Beethovens Zeiten zu treffen, hat sich leider nicht erfüllt. Es konnten aber Mauern entdeckt werden, die von weit älteren Bauten stammten. Somit offenbarte sich eine interessante, aber auch äußerst komplexe Baugeschichte, die mit Hilfe historischer Pläne und Schriftquellen weitgehend entschlüsselt werden konnte.
Überraschenderweise stießen wir im zweiten Kellergeschoß neben dem Stiegenhaus auf ein Fundament aus Bruchsteinen, das in die Kellermauern integriert wurde. Aufgrund der Mauerstruktur und verwendeten Baumaterialien könnte es aus dem 13. Jahrhundert stammen.
Doch ist dieses Fragment nicht das einzige, das von Vorgängerbauten an dieser Stelle erhalten bleiben sollte. Das Pasqualatihaus wurde auf der Stadtbefestigung, auf dem in den 1560er-Jahren angelegten Festungswall errichtet. Ihm war die Mölker Bastion vorgelagert, die vom nahe gelegenen Melker Hof ihren Namen erhielt. Sie war ein massives vor den Festungswall springendes, fünfeckiges Bauwerk, das der Flankierung der anschließenden Abschnitte der Befestigung diente (siehe hier). 1530 wurde der Bau begonnen und im 17. Jahrhundert von Grund auf erneuert und vergrößert.
Auf dem Festungswall wiederum befand sich im 16./17. Jahrhundert eine ummauerte Erhöhung zur besseren Verteidigung des Vorfeldes, die dem Aufstellen von Geschütz diente. Reste dieser mehr als 2,80 m breiten Mauer sind erhalten und bilden noch heute die nordwestlichen Kellermauern des Hauses. Ein im Wien Museum aufbewahrter Plan gibt diese massiven, im 16. Jahrhundert errichteten Mauern wieder.
Hier zeigt sich einmal mehr, wie pragmatisch mit baulichen Überresten umgegangen wurde. Der Abbruch wäre dem Bauherrn teuer zu stehen gekommen. Die Mauer ist so fest und stabil, dass sie noch hunderte Jahre halten wird! Was war naheliegender, als diese Überreste als Kellermauern weiterzuverwenden und darin Räume einzurichten.
Besonders interessant ist ein unterirdischer Gang, der einst vom Festungswall in die Kasematten der 1861/62 abgebrochenen Mölker Bastion führte. An beiden Enden ist er heute abgemauert, aber noch vom Keller des Hauses aus begehbar. Ein Plan von 1858 gibt diese einstigen unterirdischen Räume wieder.
Aufgrund der verwendeten Ziegel dürfte das Gewölbe des Ganges aus der Zeit um 1700 stammen. Wie schade, dass wir nicht hinter die Abmauerung sehen können! Ob sich dahinter wohl noch weitere Räume befinden? Oder sind diese beim Abbruch der Bastion zugeschüttet worden? Der Untergrund Wiens steckt voller Geheimnisse und mancher Keller hält sicher weitere Überraschungen bereit!
Wenn Sie mehr über die Geschichte des Hauses wissen wollen: Den ausführlichen Bericht über die bauhistorische Untersuchung finden Sie in: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 21/2018, auf den Seiten 48 bis 81.