Autorin: Christine Ranseder
Heute sind die unscheinbaren Hafteln vor allem als Verschlüsse von Büstenhaltern unverzichtbar. Die kleinen aus Draht gebogenen Häkchen und Ösen haben jedoch eine viel längere Geschichte als man vermuten würde. Sie unterstützen schon seit einigen Jahrhunderten den guten Sitz der Kleidung. Sein Aussehen hat das Haftel dabei nicht verändert, nur gleichförmiger ist es durch die Industrieproduktion geworden.
Wie allgegenwärtig das Haftel war, kann ich derzeit bei der Aufnahme der Funde aus den am St.-Bartholomäus-Platz in Hernals freigelegten Gräbern feststellen. Auf dem Friedhof bei der Kalvarienbergkirche wurde vom späten Mittelalter bis 1786 bestattet. Aus rund einem Drittel der Gräber konnten kleine Haken und Ösen aus Buntmetalldraht geborgen werden. Sind sie der einzige Fund aus einem Grab, könnten sie von einem Totenhemd stammen. Ein Teil der Verstorbenen war jedoch in zu Lebzeiten getragener Kleidung begraben worden. Ob die Anzahl der Hafteln und ihre Lage in diesen Gräbern Schlüsse auf andere Kleidungsstücke als Hemden zulassen, wird sich bei der Auswertung zeigen.
Der Sieg der Unsichtbaren
Die auf ihre Funktion als Verschluss reduzierten Hafteln aus Draht erfüllen ihre Aufgabe meist im Verborgenen. Im Gegensatz zu Nesteln, prächtigen Miederhaken/-ösen und Knöpfen entzogen sie sich der Mode und punkteten ausschließlich mit ihrer Nützlichkeit. Das sicherte ihnen das Überleben. Doch warum waren sie überhaupt nötig geworden?
Wie bereits in dem Beitrag zu den Nestelhülsen erwähnt, entdeckten im 14. Jahrhundert Männer und Frauen den Sexapeal. Sie begannen ihre Kleidung enger an den Körper anzupassen und im Hals- und Brustbereich Haut – oder zumindest Hemd – zu zeigen. Im 15. Jahrhundert wurden sichtbar am Halsausschnitt in Reihen angebrachte Hafteln nicht ineinander verhakt sondern mit einer Schnur verbunden. Ein derartiger Verschluss des Obergewandes ist sowohl in der Männer– als auch in der Frauenmode zu beobachten. Auf ähnliche Art wurden an den Unterarmen geschlitzte Ärmel geschnürt.
Zumeist wurden die Hafteln jedoch an der Innenseite der Kleidung angenäht und verschlossen unauffällig Mieder, Mantelkrägen, Hemden und Seitenschlitze an Hosenbeinen. Ab den 1620er-Jahren wurde die Hose am Wams festgehackt. Die dazu verwendeten Haken und Ösen waren jedoch meist größer und kräftiger als die kleinen Hafteln aus Buntmetall, die aus den Gräbern am St.-Bartholomäus-Platz zu tage kamen. Eine einzige Öse aus Eisen käme ihnen im Aussehen nahe, sie stammt allerdings aus einem Frauengrab.
Werden Häkchen und Ösen einzeln gefunden, ging ihr Gegenstück nicht immer verloren. Fallweise mussten die – ausgerechnet in einem Handbuch der k. k. österreichischen Armee – als Haftelmännchen und Haftelweibchen bezeichneten Häkchen und Ösen auch ohne Partner ihr Dasein fristen. Statt in eine metallene Öse wurde das Häkchen dann in eine Zwirnschlinge eingehängt. Mieder hielt man manchmal mit einer Schnur, die durch zwei Reihen aus Ösen gefädelt wurde, zusammen.
Ein verschwundener Beruf lebt in der Sprache weiter
Die Herstellung von Hafteln – und Stecknadeln – lag ursprünglich in den Händen der Haftelmacher. Die Berufsbeschreibung im Ständebuch von Jost Amman und Hans Sachs aus dem Jahr 1568 nennt nicht nur Produkte des Haftelmachers sondern weist auch auf das enge Anliegen der Kleidung auf der Brust hin:
„Ich mach Steck´hefft auß Messing draht /
Fein außgebutzt/rund/sauber/glatt /
Mit runden Knöpflein gut und scharpff /
Aller art wie man der bedarff /
Auch mach ich Hack´n und Schleifflein gut
Schwertzt und geziert/ damit man thut
Sich eynbrüsten Weib und auch Mann/
Daß die Kleider ligen an.“
Die Arbeit erforderte Geschicklichkeit, gute Augen und vor allen Konzentration. Noch heute erinnern Redewendungen wie z. B. „aufpassen, wie ein Haftelmacher“ daran.