Autorin: Christine Ranseder
Fast möchte man fragen: „Wo hast Du Adam gelassen?“. Aber der befand sich vielleicht auf der anderen Seite des Krügleins. Wie üblich, haben wir in der Werdertorgasse natürlich nur ein Bruchstück des einst sicher prächtigen, bunt glasierten Gefäßes aus dem 2. Drittel des 16. Jahrhunderts gefunden. Doch was verrät, dass es sich um Eva handelt?
Zu den Damen, die gelegentlich zusammen mit einem Hirsch dargestellt werden, gehört schließlich auch Diana, die römische Göttin der Jagd. Als Beispiele seien eine als „Diana von Versailles“ bekannte, in das 2. Jahrhundert datierte römische Skulptur (die Kopie eines griechischen Originals aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.) und das Gemälde Apollo und Diana, ca. 1526, von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) genannt.
Im Gegensatz zu der entweder völlig nackten oder mit einem Chiton bekleideten Diana hält die Person auf unserem Scherben ein Zweiglein, das in einem großen Blatt endet, vor ihre Scham. Diese elegante, wenngleich auch unpraktische Lösung zu bedecken, was nicht gesehen werden soll, erinnert – zusammen mit der Beinstellung – an die etwas verkrampfte Körperhaltung Evas in Albrecht Dürers Stich „Der Sündenfall“ aus dem Jahr 1504.
In diesem Werk von Dürer schreitet hinter dem verhängnisvollen Baum gemächlich ein Hirsch vorbei. Noch entspannter hat Lucas Cranach d. Ä die Tiere auf seinen Darstellungen von Adam und Eva, die gerade im Begriff sind in Ungnade zu fallen, dargestellt.
Im Vergleich dazu springt der Hirsch auf unserem Fund aus der Werdertorgasse geradezu vergnügt hinter Eva vorbei. Er kann in diesem Fall wohl schlicht und einfach als Verweis auf das Paradies interpretiert werden, auch wenn der Hirsch generell schwer an Bedeutungen zu tragen hat. Er galt unter anderem als Sinnbild der Seele, die nach Gott lechzt (Psalm 42). Im Physiologus wird der Hirsch gar zum Drachen(=Schlangen)töter und mit Christus, der den Teufel bekämpft, gleichgesetzt.
Werfen wir zu guter Letzt noch einen Blick auf die Herstellungstechnik unseres Fundes. Es handelt sich um mehrfarbig glasierte Irdenware. Der mithilfe von Modeln plastisch geformte Dekor wurde auf den Gefäßkörper aufgelegt. Applizierte Rundstäbe gliederten das Gefäß und verhinderten gleichzeitig das Ineinanderfließen der unterschiedlichen, als Hintergrundfarbe verwendeten Glasur. Diese Unterteilung der Gefäßoberflache wird als Merkmal von Produkten der Werkstatt des im 16. Jahrhundert in Nürnberg tätigen Paul Preuning angesehen. In erster Linie handelt es sich dabei um Krüge unterschiedlicher Größe.
Zu unserem Fund gibt es übrigens auch ein archäologisches Vergleichsstück aus Wien, das im ersten Wiener Gemeindebezirk beim Kornhäuselturm gefunden wurde. Es zeigt ebenfalls eine Eva in Begleitung eines Hirsches, der allerdings den Kopf senkt.