Autorin: Christine Ranseder
Im Herbst 2020 wurden bei Grabungen im Vorfeld von Bauarbeiten in der Seestadt Aspern erneut zwei Massengräber aufgedeckt. In ihnen waren Soldaten bestattet worden, die im Jahr 1809 in der Schlacht von Aspern fielen.
Obwohl Schlachtfelder in der Regel abgeräumt, das heißt alles Brauchbare eingesammelt wurde, verblieben bei den vor Ort begrabenen Toten trotzdem immer wieder einzelne Uniformbestandteile sowie privater Besitz. Stoff und Leder zersetzten sich im Boden schnell, diverse Gewandverschlüsse und andere Objekte aus Metall sind jedoch erhalten geblieben. Auch aus den beiden im Vorjahr von der Stadtarchäologie Wien in Kooperation mit der Grabungsfirma Novetus GmbH untersuchten Gräbern konnten Knöpfe, Hafteln, Münzen, ein Fingerring und zahlreiche Musketenkugeln geborgen werden. Auffallend ist, dass es sich bei den Knöpfen um ein Sammelsurium handelt, das es bei einem ordnungsgemäßen Zustand der Uniformen eigentlich nicht geben sollte.
Uniformknöpfe …
Objekt 1, eine flache, rechteckige Grube mit den sterblichen Überresten von acht Individuen, erwies sich als das ergiebigere der beiden Massengräber. Bei den sechs in Objekt 2 bestatteten Individuen wurden hingegen nur noch zwei Knöpfe aus Buntmetall sowie Beinknöpfe angetroffen. Die Lage der Gräber kann mit der Stellung der beiden Armeen und ihrem Aufeinandertreffen am 22. Mai zwischen 9 und 10 Uhr in Zusammenhang gebracht werden. Damit lassen sich auch die beteiligten Regimenter feststellen.
Da aus den beiden Gräbern ausschließlich unverzierte Uniformknöpfe geborgen wurden, dürfte es sich bei den Toten um Soldaten des österreichischen Heeres gehandelt haben. Vor Ort befanden sich vor allem Regimenter der Deutschen Infanterie, die weiße Uniformen trugen. Eine Unterscheidung erfolgte durch Egalisierungsfarben sowie „weiße“ oder „gelbe“ Knöpfe.
Die „weißen“ Uniformknöpfe bestanden aus einer Zinn-Blei-Legierung. Sie zeigen auf der Rückseite großteils noch eine über Platte und Öse verlaufende Gussnaht. Diese belegt eine Herstellung im Dreiformguss, also in einer dreiteiligen Gussform. Die Öse wurde in diesem Verfahren gleich mitgegossen. Derartige Knöpfe wurden z. B. in der in Lichtenwörth ansässigen k. k. priv. Nadel-, Messing- und Metallwarenfabrik, genannt Nadelburg, die sich von 1769 bis 1815 im Besitz von Theodor Graf Batthyány befand, produziert.
„Gelbe“ Knöpfe wurden aus einer Kupferlegierung angefertigt. Die Herstellung dieser Scheibenknöpfe war denkbar einfach. Zumeist wurde die Platte aus Blech ausgestanzt und anschließend eine Öse aus rundstabigem Draht angelötet. Es gibt jedoch auch Exemplare mit gegossener Platte.
Ein Knopf mit in Zweiformguss gegossener Platte erwies sich als Einzelstück im Fundmaterial. Ausgeprägte konzentrische Rillen an der Rückseite belegen, dass die Gussnaht durch Drehen entfernt wurde. Die Öse ist angelötet.
… und einige Überraschungen
In Soldatengräbern Uniformknöpfe zu finden ist selbstverständlich. Das Vorhandensein von metallenen Knöpfen ziviler Kleidung wurde hingegen nicht erwartet. Sie sind dank ihrer Verzierungen leicht zu erkennen – egal, ob es sich dabei um flache oder aus einer getriebenen Halbkugel gefertigte Knöpfe handelt.
Das prächtigste Exemplar ist ein Schildbuckelknopf, der schon allein wegen seines beträchtlichen Durchmessers von 3,2 cm auffällt. Er nähert sich in seiner Größe damit schon den sog. Dandyknöpfen, die um 1800 modisch wurden und, auf Hochglanz poliert, die Brust eitler Herren schmückten. An der bäuerlichen Kleidung entzückten Schildbuckelknöpfe mit gravierten Verzierungen. Unser Fund zeigt ein florales Muster mit konzentrisch angeordneten Kreisaugen. Schildbuckelknöpfe waren weit verbreitet, eine Konzentration scheint sich allerdings in Süddeutschland und Salzburg abzuzeichnen.
Strenggenommen ebenfalls zu den Schildbuckelknöpfen, einer Sonderform der Scheibenknöpfe, zu zählen sind zwei kleine Knöpfe mit Mittelbuckel und konzentrisch angeordneten Kreisaugen. Sie wirken wie eine bäuerliche Nachahmung der von Matthäus Rosthorn (1721–1805) produzierten gold- und silberplattierten Knöpfe, von denen eine Auswahl auf einer Mustertafel (um 1780/90) im Technischen Museum zu bewundern ist.
Vergleiche zu dem Scheibenknopf mit profilierter Platte sind unter den Knöpfen auf einer Mustertafel, die der in Wien ansässige Fabrikant Gottfried Wilda 1819 dem Fabriksproduktenkabinett überließ, zu finden.
Aus der Reihe tanzen auch drei halbkugelige Knöpfe mit gravierter Verzierung, die typisch für bäuerliche Kleidung sind. Ein bereits sehr abgenutztes Exemplar zeigt eine fünfblättrige Blüte, die beiden anderen weisen Tremolierstich auf.
Die Verschlüsse der Unaussprechlichen
Die fünffach gelochten Beinknöpfe zeichnen sich durch Randlippe und Drehrillen aus. Das Mittelloch entstand bereits beim Drehen der Vorder- und Rückseite, es wurde bei der Befestigung des Knopfes am Kleidungsstück zumeist ignoriert. Die eigentlichen Löcher zum Annähen wurden in einem eigenen Arbeitsschritt gebohrt und liegen an der Knopfoberseite zum Schutz des Fadens vertieft. Derartige Knöpfe überstanden häufiges Waschen, ohne den an- und umliegenden Stoff zu verfärben. Sie dürften daher zumeist von Hemden und Unterhosen stammen. Beinknöpfe mit fünf Löchern wurden in Europa vielerorts bis weit ins 19. Jahrhundert hergestellt. Die in Aspern gefundenen Exemplare stammen sowohl aus Bestattungen von Soldaten der österreichischen als auch der französischen Armee.
Beinerne Scheibchen mit Mittelloch waren ursprünglich vermutlich mit Stoff überzogen oder Faden umwickelt. Eine Mustertafel im Technischen Museum Wien aus den Jahr 1825 belegt, dass derartige Knopfrohlinge auch aus Holz hergestellt wurden. Stoffüberzogene Holzknöpfe kamen an den Uniformhosen der österreichischen Infanterie zum Einsatz.
Fazit
Aus den in den Gräbern verbliebenen Knöpfen aus Metall lassen sich durchaus Schlüsse ziehen, die wenig schmeichelhaft für die Montur der österreichischen Soldaten ausfallen. Die Kleidungsstücke, an denen die Gewandverschlüsse einst saßen, wurden den Toten vermutlich nicht abgenommen, weil der schlechte Zustand – zerschlissen, der Adjustierungsverordnung nicht entsprechend oder auch mit Blut durchtränkt – eine Wiederverwertung ausschloss.
Bereits 1796 beklagte Erzherzog Karl die geringe Qualität der an die Soldaten der kaiserlichen und königlichen Armee ausgegebenen Montur. Darüber hinaus beschleunigten lange Märsche und brutale Kämpfe den Verschleiß. Den jämmerlichen Zustand der Uniformen österreichischer Soldaten hielt Johann Baptist Seele (1774–1814) in seinem 1797 geschaffenen Gemälde „Avancier des Autrichiens“ (Heeresgeschichtliches Museum) fest.
Da die Missstände nicht einfach ignoriert werden konnten, taten die Verantwortlichen, was Verantwortliche immer tun: Sie riefen eine Kommission ins Leben, deren Beratungen 1789 eine Verordnung zeitigte. Ob diese in der Realität eine Verbesserung der Qualität der Adjustierung brachte, sei dahingestellt. Die Funde aus den beiden 2020 dokumentierten Massengräbern spricht eher dagegen.
Leseempfehlung
Mehr zur Grabung und den Befunden können Sie der Presseinformation entnehmen.
Die Arbeit der Archäologen bei der Bergung der beiden Massengräber schilderte bereits Franz Eschner in seinem Blogbeitrag „Neue Gräber der Schlacht von Aspern 1809„.
Die Stadtarchäologie Wien untersuchte bereits von 2008 bis 2016 im Zuge mehrerer Grabungskampagnen Gräber, die mit der Schlacht von Aspern in Verbindung stehen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wurde als Buch vorgelegt:
Christine Ranseder / Sylvia Sakl-Oberthaler / Martin Penz / Michaela Binder / Sigrid Czeika
Napoleon in Aspern. Archäologische Spuren der Schlacht 1809
Wien Archäologisch 13 (Wien 2017)
22 x 14 cm. Broschur
152 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
EUR 21,90
ISBN 978-3-85161-170-0