Vielleicht dachte sich dies der Käufer eines Kachelofens und entschied sich deshalb für Kacheln mit Darstellungen der „Sieben Planeten“.
Die Kachel mit Venus wurde im Kellergeschoß des Hauses Judenplatz 8 entdeckt. Sie stammt aus der Verfüllung eines bei Umbauarbeiten im Barock aufgelassenen Treppenschachtes, in der sie und zahlreiche Fragmente anderer Kachelöfen entsorgt worden waren. (Zu Bauforschung und Keramik siehe Fundort Wien 6)
Genau genommen sind im Fundmaterial zwei dieser Kacheln nachgewiesen, doch das zweite Fragment zeigt nur noch eine Waagschale, ein Stückchen Mantel und die Zahl 5.
Doch was macht gerade diese Kachel so interressant? Es sind die zahlreichen Figuren und Motive, die humanistische Bildung mit christlichem Gedankengut verbinden.
Eine Kachel mit vieldeutigem Bildprogramm
Die Figur im Innenfeld gibt sich als Venus zu erkennen – nicht nur weil der um ihren Arm geschlungene Mantel dramatisch im Wind flattert, anstatt den Körper wärmend zu umhüllen. In ihrer rechten Hand hält sie ein flammendes Herz, mit der linken hebt sie einen Pfeil in die Höhe. Jeder Zweifel an der Identität der Dargestellten wird durch den Schriftzug VENUS beseitigt. Dass es sich hier um mehr als ein Abbild der römischen Göttin der Liebe handelt, verrät das kleine Symbol links von ihrem Namen. Es identifiziert Venus als schicksalslenkende Planetengöttin, zu deren Füßen die ihr zugeordneten Tierkreiszeichen liegen. Im Taghaus herrscht Venus über das Sternbild der Waage, im Nachthaus über jenes des Stiers. Die Zahl 5 gibt das Relief des Innenfelds der Kachel als Teil einer Serie zu erkennen, den „Sieben Planeten“. Diese umfasst die im 16. Jahrhundert bekannten Planeten, jeweils verkörpert durch die Götter Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Merkur, Luna und Sol. Die Verbreitung der Motive erfolgte mittels druckgrafischer Blätter, die wiederum Handwerkern als Vorlagen dienten. Eine der bekanntesten Serien der „Sieben Planeten“ wurde 1539 von Hans Sebald Beham (1500-1550) geschaffen. Auf dem Kupferstich mit Venus sind zwar dieselben Attribute wie auf unserer Kachel zu sehen, die Göttin schreitet jedoch forsch nach links. Die Frage, von welchem Künstler die Vorlage für den Fund vom Judenplatz 8 stammt, bleibt derzeit offen.
Auch die Venus rahmende Architektur ist mit reichem Figurenschmuck versehen. Zwei massive Pfeiler tragen einen Bogen, an den sich in den Zwickeln sitzende Putten lehnen. Sie halten einen Palmwedel in der Hand und dürften in erster Linie Dekor sein. Anders verhält es sich mit den beiden weiblichen Figuren, die in den Nischen der Pfeiler stehen. Die Frau am rechten Pfeiler gießt eine Flüssigkeit aus einem Krug in einen Pokal. Dank dieser beiden Gefäße zum Mischen von Wasser und Wein gibt sie sich als Temperantia (Mäßigkeit) zu erkennen.
Ihr gegenüber steht Fides (Glaube) mit einem Kreuz in der Hand. Die beiden Allegorien gehören zu der ebenfalls als Druckgrafik verbreiteten Serie der „Sieben Tugenden“. Zu den weltlichen Tugenden Temperantia (Mäßigkeit), Justitia (Gerechtigkeit ), Prudentia (Weisheit ) und Fortitudo (Tapferkeit ) gesellten sich in dieser die christlichen Tugenden Fides (Glaube), Spes (Hoffnung) und Caritas (Liebe).
Ein Teil der aufwändig gestalteten Arkade fand sich auch auf einem weiteren Kachelfragment aus dem Haus Judenplatz 8. Eine Hand, die ein Schwert hält, ein Widder und das Symbol für den Planeten Mars belegen ein zweites Motiv aus der Serie der „Sieben Planeten“.
Die außergewöhnlichen Kacheln entsprechen sowohl mit ihrem Bildprogramm als auch stilistisch einem Kachelmodel aus dem Bestand des Museums im Ritterhaus in Offenbach, Deutschland. Dieses zeigt Merkur aus der Serie der „Sieben Planeten“ in einer identen Arkade stehend. Auch für diese Darstellung konnte bisher kein direktes Vorbild in der Druckgrafik gefunden werden. Das Model wird jedoch mit der Werkstatt des Frankfurter Modelschneiders Johannes Vest in Zusammenhang gebracht.
Bildprogramm und Vergleichsbeispiel ermöglichen für die Kachelfunde aus dem Haus Judenplatz 8 eine Datierung um 1600/1. Hälfte 17. Jahrhundert.