Schneckereien

Autorin: Christine Ranseder

Wie halten Sie es mit Schnecken auf Ihrem Teller? Sind sie ein Leckerbissen oder haben die Tiere mit dem hübschen Haus für Sie den Igitt-Faktor? Nun ja, auch Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten lassen sich anhand archäologischer Funde nachverfolgen. Grabungen der letzten Jahre zeigen, dass Weinbergschnecken im Wien des 18./19. Jahrhunderts öfter auf dem Speisezettel gestanden haben dürften, als uns heute lieb wäre. Doch wie wurden sie zubereitet?

Weinbergschneckenhäuser gefunden am Frankhplatz, Wien 9, und am Karlsplatz, Wien 4. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)
Ein flüchtiges Vergnügen für feine Leute

Bereits bei den Römern galten Schnecken als Leckerbissen − egal ob in Öl geschmort, gegrillt oder gekocht. Der Feinschmecker und Kochbuchautor Apicius (um 25 v. Chr.−vor 42 n. Chr.) empfahl, sie zuvor mit Milch zu mästen.

Die Renaissance knüpfte auch in der Kochkunst an die Antike an. Marx Rumpolt, der Koch des Mainzer Kurfürsten Daniel Brendel von Homburg, nennt in seinem 1581 erschienenen Werk „Ein new Kochbuch“ gleich neun Rezepte für Schneckengerichte. Wichtig war (und ist) es, die Weichtiere mithilfe von Salz gut zu entschleimen.

Schnecken zählten, wie Fische und Krebse, zu den Fastenspeisen. Dies spiegelt sich auch in den Kochbüchern wider. Eleonora Maria Rosalia (1647−1704) erwähnt sie 1695 in „Ein gantz neues und nutzbahres Koch-Buch“ als Bestandteil eines explizit als „Fasten-Suppen“ angeführten Rezepts. Doch damit nicht genug. Schnecken finden sich in Pasteten und Ragouts, man mischte sie in Füllungen für Kapaun und Hecht, hackte sie klein und stopfte sie, pikant gewürzt, in ihre Schale zurück. Oder wie wäre es mit am Spieß gebratenen, mit Speck gespickten Schnecken?

Weinbergschneckenhaus und Austernschale, gefunden in der Währinger Straße 25A, Wien 9. Ein Rezept für „Gehackte Schnecken“ empfielt: „Besser aber wann du sie auff saubere Austern-Schaalen legst/und ein wenig auff den Rost bratest/und Lemonisafft darauff giest.“ Sollte die Schneckenspeise hochwertiger aussehen als sie tatsächlich war? (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Von Sparsamkeit zeugt hingegen ein 1759 veröffentlichtes Rezept von Leopold Johann Kaliwoda für Schnecken-Suppen. Er betreibt Resteverwertung: „Nimm überbliebene, oder übersottene Schnecken […].“  Zur Magenverstimmung ist es nicht weit.

Das Schneckenhaus für die ArchäologInnen

Vom kulinarischen Genuss bleibt zu guter Letzt das Schneckenhaus in der Abfallgrube. Und wir dürfen uns darüber freuen, dass die Funde mit den Quellen auf Papier in Einklang stehen. In Wiener Fundkomplexen bis zum 17. Jahrhundert sind Häuser von Weinbergschnecken bisher nur sporadisch aufgetaucht. In jenen aus dem 18./19. Jahrhundert sind sie − so wie Austern − hingegen recht häufig. Das wirft, zusammen mit den Kaufrufen aus dieser Zeit, Licht auf die Wiener Esskultur. Wie selbstverständlich und leicht Schnecken in Wien zu erhalten waren, zeigen Darstellungen von Straßenverkäuferinnen, den „Schneckenweibern“. Gleich säckeweise wurden die armen Tiere von ihnen feilgeboten. Ob Weinbergschnecken für jederman erschwinglich waren, ist allerdings eine andere Frage.

Johann Christian Brand (1722−1795), „Schneckenweib“, aus „Zeichnungen nach dem gemeinen Volke besonders der Kaufruf in Wien“, 1775, und Detail daraus. (© Wien Museum)

Georg Emanuel Opitz (1775−1841), „Die Stadt-Öbstlerin, ein Schneckenweib, nebst einem Hausknecht und einer Dienstmagd“, aus „Wiener Szenen und Volksbeschäftigungen“, 1804−1812, und Detail daraus. (© Wien Museum)

Angesichts der Menge an Weinbergschnecken, die auf den Tischen der Wiener endeten, verwundert es nicht, dass die Tiere selten geworden sind. Heute stehen Weinbergschnecken in Wien (Naturschutz ist in Österreich Landessache) daher unter Schutz.