Spuren der jüngsten Vergangenheit im Anton-Baumann-Park

Autorin: Christine Ranseder

Er war ein guter Hund bis zuletzt. Seine Stunde schlug im Zweiten Weltkrieg, als Bomben auf Häuser in der Nähe des Anton-Baumann-Parks fielen.
In dem kleinen Park steht noch heute ein Wasserturm der ehemaligen Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung. Im Oktober 2019 begab sich die Stadtarchäologie Wien auf die Suche nach dem zugehörigen Wasserbehälter, der 1839 kaum errichtet auch schon den Blicken durch eine Erdaufschüttung entzogen worden war. Der Nachweis gelang und als Zugabe wurde ein mit dem Schutt während des Krieges zerstörter Häuser verfüllter Luftschutzdeckungsgraben angeschnitten. Archäologie macht auch Zeitgeschichte greifbar.

Der Luftschutzdeckungsgraben …

Zum Schutz der Bevölkerung wurde 1943 im Anton-Baumann-Park ein Luftschutzdeckungsgraben, der rund 100 Personen aufnehmen konnte, angelegt. Es handelte sich um einen etwa 35 m langen, mit Stampfbeton ausgekleideten Graben, der nur 1,60 m breit und 2 m tief war. Eine gezimmerte Abdeckung, die mit Erde beschüttet war, bildete das Dach des Schutzbaus und tarnte diesen vermutlich auch. Der Zugang erfolgte an beiden Enden des Grabens über jeweils eine Schleuse zum Schutz gegen das Eindringen von Giftgas.

Ersatz-Plan für einen Luftschutzdeckungsgraben im Anton-Baumann-Park vom 16. November 1943. (Wiener Stadt- und Landesarchiv, KS, PPS, P13/8.120099.18.2.2.)

Nach dem Ende des Krieges wurde der Luftschutzdeckungsgraben mit Schutt verfüllt, planiert und damit aus Stadtbild und Gedächtnis entfernt.

Türplakette „Mitglied des Reichsluftschutzbundes“, gefunden in der Verfüllung des ehemaligen Luftschutzdeckungsgrabens im Anton-Baumann-Park, Wien 18. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)
… und einige Funde daraus

Aus einem während der Ausgrabung angelegten, 2 x 1 m messenden Schacht kamen nicht nur Bauschutt, Steine, Fensterglas und Metallteile zu Tage, sondern auch Gegenstände aus dem Hab und Gut der Menschen, die ihre Wohnung durch Bombentreffer (siehe dazu den Generalstadtplan mit eingezeichneten Kriegsschäden – „Bombenplan“) verloren hatten. Selbst diese kleinen Objekte sind nicht heil geblieben, doch erzählen sie trotz ihres fragmentarischen Zustandes kleine Geschichten über die einstige Wohnungsausstattung und persönliche Vorlieben ihrer Besitzer.

Um Erb- oder Sammelstücke dürfte es sich bei zwei Tellern handeln.
Der ältere der beiden kann als Produkt der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Wien aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angesehen werden. Der Teller zeigt in feinster Malerei Aphrodite, die Eros Bogen und Köcher wegnimmt. Das Motiv ist in nahezu identer Form auch auf einer um 1800 datierten Tasse in der Sammlung des MAK zu finden.

Bruchstücke eines Tellers aus der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Wien. Anton-Baumann-Park, Wien 18. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Ein kleiner Teller aus Pressglas mit Doppeladler und der Aufschrift „Kaiser Jubiläum 1848−1888“ erinnert an das 40-jährige Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef I. im Jahr 1888. Er wurde im Jubiläumsjahr von der in Krásno, Mähren, ansässigen Glasfabrik S. Reich hergestellt, zu deren Produkten zahlreiche Kaiser-Memorabilia zählten.

Fragment eines Pressglastellers zum Krönungsjubiläum Kaiser Franz Josef I. im Jahr 1888. Anton-Baumann-Park, Wien 18. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Als Nippes können auch andere Funde, die einst als Wohnungsschmuck dienten, angesehen werden. Neben der Figur des Hundes, auf dem ein Kind reitet, ist eine kleine Skulptur eines Rehs erwähnenswert, die den Geschmack der 30er-Jahre spiegelt. Die Bodenplatte mit etwaigem Herstellernachweis ist weggebrochen, es dürfte sich aber um ein Erzeugnis der Karlsruher Majolika Manufaktur nach einem Entwurf von Else Bach handeln.

Fragment der Figur eines Rehs. Anton-Baumann-Park, Wien 18. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Christine Ranseder)

Literaturtipp:
Kristina Adler-Wölfl/Heike Krause, Archäologische Voruntersuchung in Wien 18, Anton-Baumann-Park, Wasserturm (Projekt U-Bahn-Linie U5). In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 23, 2020, S. 166–172.