Des einen Freud, des andern Leid – mittelalterliche Keramik vom Frankhplatz

Autorin: Ingeborg Gaisbauer

Nach Unmengen barocker Schönheiten darf ich mich jetzt doch endlich durchs Spätmittelalter wühlen: Was gibt es Schöneres für eine gelernte Mittelalterarchäologin als zylindrische Töpfe, elegant graue Oberflächen, etwas Graphitmagerung und ab und an ein wenig Glasur?

Aber persönliche Präferenzen einmal beiseite, es stand zu hoffen, dass sich am Frankhplatz das Spätmittelalter zeigen würde, immerhin wurden im Vorfeld schon Gruben mit Material aus dem 15. Jahrhundert angeschnitten, die mehr oder weniger der mittelalterlichen Vorstadt, ihrem Umfeld und ihrer Abfallentsorgung zuzurechnen waren.

Zugegeben, die Ausgrabung Frankhplatz hat uns in der Fundaufnahme bereits kistenweise Keramik beschert und natürlich sind alle Scherben vor dem Bearbeiter gleich, aber so ganz kann man die persönlichen Vorlieben denn doch nicht unterdrücken. Ist man auf Mittelalter spezialisiert, dann bereitet Keramik aus dieser Epoche einfach die meiste Freude, und genau bei dieser Freude wird es in weiterer Folge ein wenig makaber.

Die Scherben aus einer Kellerverfüllung, die derzeit auf meinem Arbeitstisch landen, sind zeitlich dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert zuzuordnen, genauer gesagt datiert dieser Fundposten „vor 1529“.
Damit ist auch schon klar, dass des Archäologen Freud des mittelalterlichen Wieners Leid gewesen sein dürfte, denn damit tummeln sich diese unschuldigen Scherben knapp vor dem nicht ganz so unschuldigen Tummeln eines osmanischen Heeres vor Wien.

Tatsache ist nun aber, dass genau solche „Großereignisse“ gerne zu einer gewissen „Horizontbildung“ im Fundmaterial führen und gerade diese Zäsur ist merklich: Vor Wiens Toren auf jeden Fall, aber erstaunlicherweise auch in der Stadt selbst. Während man in Wien selbst vermutlich nach der Belagerung das eine oder andere aufräumte, stand vor den Mauern im Bereich der Vorstädte und ihrem weiteren Umfeld etwas mehr als Staubwischen an. Vermutlich fielen die Gebäude schon gezielt, noch ehe das Heer Wien erreicht hatte – unübersichtliche Zustände rund um die Stadt waren vermutlich nicht erwünscht. Das große „Saubermachen“, das uns Kellerverfüllungen wie eben jene vom Frankhplatz einbrachte, könnte gut auch erst nach der Belagerung stattgefunden haben.

Wodurch zeichnet sich dieses Material nun besonders aus?

Einige der „Leitfossilien“ fanden sich hier wie im Bilderbuch ein, zum Beispiel massiv verstärkte Krempränder, frühe Kragenränder an oxidierend gebrannten und innen gelb glasierten Töpfen und große graphithaltige Krüge mit Stempeln. An Stücken noch aus dem 15. Jahrhundert finden sich Importe wie ein Siegburger Steinzeugbecher und natürlich gibt es die klassischen „grauen“, soll heißen reduzierend gebrannten Schüsselkacheln.

Verstärkte Krempränder. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)
Frühe gelb glasierte Töpfe mit Kragenrand. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)
Graphitgemagerter Krug mit Stempel. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)
Siegburger Steinzeugbecher. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)
Fragmente von Schüsselkacheln. (Foto: Stadtarchäologie Wien/Ingeborg Gaisbauer)

Bei solchen sehr primären Entsorgungen – das heißt der Abfall eines Hauses wird ohne zahlreiche weitere Umlagerungen beseitigt– meist in einem Brunnenschacht, einer Latrine oder eben einem Keller ist nicht nur die Anzahl der Fragmente groß. Meist sind sie auch recht gut erhalten. Rundum ein Grund für den Keramikbearbeiter sich zu freuen und gelegentlich mit echtem Bedauern an diese für die Bewohner so wenig erfreulichen Jahre zurückzudenken.