Autorin: Ingeborg Gaisbauer
Noch ist Fasching und Unfug wird einem anständigen Wissenschaftler eher verziehen als in der „todernsten“ Zeit des Jahres. Unterhalten wir uns also ein wenig über die nicht so offensichtlichen Aspekte eines Friedhofes!
Pietätvoller Respektsabstand, Stille und Schweigen? Nicht in diesem Mittelalter – das Leben ist zu kurz für solche Feinheiten! Der Tod wird ernst genommen – natürlich! Was bleibt einem armen sterblichen Wesen denn übrig, angesichts von Krankheit, Krieg und Verfall? Der Ernst entbehrt aber nicht des bitteren Spottes, der galligen Ironie und des Pragmatismus. Mit dem Tod wird getanzt. Jeder, ob reich oder arm, Mann oder Frau, muss sich diesem Reigen anschließen. Makaber, aber wahr. Man wusste um die Risiken des täglichen Lebens, war gezwungen sich ihnen zu stellen. Man konnte natürlich auch versuchen zu handeln oder zu spielen. Die Idee, den Tod in einer Partie Schach bezwingen zu wollen, ist ein wunderschönes Motiv in der mittelalterlichen Vorstellungswelt – ich denke, wir wissen alle, wer sich für gewöhnlich bei diesem Spiel der besseren Spieltechnik rühmen konnte.
Der Tod ist mitten im Leben immer um den Menschen, wieso also nicht den Friedhof für Lebensnotwendiges und/oder Erfreuliches nutzten? Marktgeschehen auf aufgelassenem oder auch noch genutztem Friedhofsareal ist dabei eine Sache, eine andere ist das Glücksspiel. Gerade bezüglich der Nutzung des Stephansfreithofes wissen wir, dass man 1267 dort noch das Würfelspiel pflegte. Vielleicht würfelt der Tod in Wien schlechter als er Schach spielt? Auf jeden Fall wurde 1296 dem Würfeln zwischen den Gräbern ein Ende gesetzt. Leider findet sich zu diesen spielerischen Betätigungen kein Fundmaterial in den erdig-lehmigen Tiefen des Stephansplatzes. So ein Würfel wäre eine ulkige Überraschung, aber leider – bis jetzt nichts dergleichen. Auch Schachbretter haben sich noch keine gezeigt. Bislang sind es weiter nur vereinzelte menschliche Knochen – Absolventen des Totentanzes, die es mit den hektischen Verrenkungen etwas übertrieben haben, so zu sagen. In diesem Zustand sollte es einigermaßen schwierig sein, dem Ruf der Posaune des Jüngsten Gerichts zu folgen – vor allem wenn man von achtsamer Archäologenhand nicht nur gewaschen und beschriftet, sondern auch in Plastik verpackt wurde. Zumindest hier in der Stadtarchäologie Wien zeichnet sich in den Banankistenruhestätten derzeit keine überraschende Aktivität ab. Ich gehe also davon aus, dass die Offenbarung des Johannes noch nicht in Umsetzung begriffen ist. Allerdings erzählte mir die Grabungsleitung letztens etwas von einem Reiter auf einem fahlen Pferd, der sehr höflich nach dem Weg gefragt hat – wie alle Anfragen von interessierten Laien wurde auch diese penibelst beantwortet.
Ungeziefer scheint es im Bau-Container auch zu geben. Sie werden es nicht glauben, da waren doch wirklich ein paar Heuschrecken unterwegs! Verstörende alternative Nachrichten? Ich kann sie beruhigen, sollte sich am Faschingsdienstag bei mir ein hochgewachsener Fremder mit roter Maske vorstellen, schicke ich ihn frei nach E. A. Poe ganz sicher zum Arbeitskreis des Prinzen Prospero. Der nimmt gewiss noch Freiwillige auf und spielt auch nicht schlechter Schach als ich. Und montags bin ich dann wieder am Stephansplatz und biete in wenig beeindruckender Lebensgröße vor Ort Führungen und Information zum Arbeitsfortschritt an …